Gefühlt noch keine 30

Für Journalistin Anna Suckow ist Mannheim die Stadt, in die sie gehört. Allerdings schlägt in ihr auch ein europäisches Herz, das Großbritannien liebt und den Brexit erst noch verkraften muss.

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Junge Journalistin mit großer Leidenschaft für Magazine: die Mannheimerin Anna Suckow.

© akj

Freitag, 24. Juni, 2016. Einer dieser Tage, an denen Anna Suckow wohl besser im Bett geblieben wäre: der erste Blick am Morgen aufs Handy, Nachrichten anschauen. Brexit - Schock - hellwach. "Das ist so furchtbar. Ich liebe England, ich liebe die Briten. Ihren Humor, die Sprache, die Landschaft, ihre Städte." So sehr, dass sie ihren 30. Geburtstag im Februar mit ihrem Freund in London verbracht hat. Schon die Diskussionen um den EU-Austritt in den Wochen vor dem Referendum haben die Mannhei-merin in ihrem "europäischen Herzen" getroffen. Jetzt der traurige Ausgang - und die Sorge, "dass auch andere EU-Länder blindlings übereilte Entscheidungen treffen".

Die EU, die ihrer Generation so viel bedeutet und so viel Sicherheit und Freiheit gibt, erschüttert in ihren Grundfesten: Das ist Drama Nummer eins an diesem heißen Sommertag. Da weiß Anna Suckow noch nicht, dass sie die Nacht auf dem Fußboden eines süddeutschen Provinzbahnhofs verbringen wird. Denn ein Unwetter verhagelt ihr das Wochenende, an dem sie Musik hören und feiern will: beim Southside-Festival, das aus Sicherheitsgründen abgesagt wird, bevor es richtig angefangen hat. Schlaflos in Tuttlingen - das hatte sie sich anders vorgestellt.

Gar nicht schlaflos waren hingegen die Nächte vor dem - unter Mitte- bis Endzwanzigern ziemlich gefürchteten - 30. Geburtstag. "Vielleicht weil ich nicht so lebe, wie ich immer dachte, dass man mit 30 lebt." Kein unbefristeter Job, keine Eigentumswohnung, keine Hochzeit, keine Kinder. "In meinem engsten Freundeskreis geht das allen so", sagt Anna Suckow: "Eine kleine Enklave von Menschen, die so sind wie ich - in einer Welt von ,normalen 30-Jährigen'." Sie lacht.

Anna Suckow ist 1986 in der Pfalz geboren - und "mit drei Tagen in die Stadt gekommen, in die ich gehöre". Fast wäre es leichter, die Mannheimer Stadtteile aufzuzählen, in denen sie noch nicht gewohnt hat als andersherum. Heute lebt sie in Feudenheim - sogar in der Straße, in der sie als kleines Mädchen schon einmal gewohnt hat. Unter der Woche hat sie ein WG-Zimmer in Offenburg, wo sie die Burda-Journalistenschule besucht und bei Magazinen des Verlags arbeitet.

Unterwegs im "morgenweb"

Angefangen hat sie bei der Tageszeitung, hier, beim "Mannheimer Morgen", dessen Lokalseiten sie jetzt durchblättert, wenn sie am Wochenende zu Hause ist. "Das Wichtigste erfahre ich schon vorher über das ,morgenweb' und über den Facebook-Auftritt des Verlags." Sie hat die Wochenzeitung "Zeit" abonniert, außerdem Mode- und Food-Magazine. "Nachrichten lese ich online oder mobil auf dem Smartphone. Aber lange Stücke, Hintergrundgeschichten, die mag ich am liebsten in gedruckter Form." Sie beschreibt sich als visuellen Menschen: "Wie ist das Papier, wie das Layout? Ich blättere gerne und knicke. Ich mag den Geruch. Und die Druckerschwärze an meinen Händen. Und ich schätze es sehr, wenn sich jemand Zeit für eine Geschichte genommen hat und mich damit berührt." Das möchte auch sie mit ihrer Arbeit: Menschen informieren, unterhalten, sie berühren. "Mir gefällt dieser Gedanke: Vielleicht habe ich die Chance, den Blick meines Lesers auf die Welt für einen Augenblick zu verändern."

Dabei hatte sie nie vor, Journalistin zu werden. Auch, weil es der Beruf ihres Vaters ist. Doch dann entdeckte eine ehemalige "MM"-Redakteurin in einem Uni-Seminar das Talent der jungen Frau - und verpflichtete sie gleich für ein Praktikum. Anna Suckow studierte damals Germanistik, byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte. Wie oft hat sie diese nervige Frage gehört, die so viele Geisteswissenschaftler fürchten: "Und was macht man damit?" Genau wie einen anderen Satz: "Ah, dann kannst du also deinen Namen tanzen." Sechs Jahre Waldorfschule hinterlassen Spuren im Lebenslauf. Sie wechselte aufs Feudenheim-Gymnasium und fand dort Freunde, die sie noch heute begleiten. Menschen, die "ihre Stadt, die so viel bietet", noch wichtiger machen.

30 - ein Alter, in dem man schon einiges erlebt und doch - wenn alles gut läuft - noch vieles vor sich hat. Wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird, Anna Suckow kann es sich nicht vorstellen. "Was mir im Moment wirklich Angst macht, ist die kranke Ideologie des Islamischen Staats", sagt sie. Es ist der Rechtsruck in Europa, der sie sorgt. Und der Terror, der immer näher rückt.

Trotz der Brexit-Enttäuschung will sie weiter fest an die Europäische Union glauben. "Weil ich mich mit Europa mehr identifiziere als nur mit Deutschland."

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