Mit den Beatles aufs Abstellgleis

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"Da zahlen die Münchner und Hamburger Schwarzmarktpreise, 100, 150, 200 und mehr Mark für eine Eintrittskarte - und bei uns genügt eine Bahnsteigkarte. Zwanzig Pfennig und basta." So vermeldete es der "Mannheimer Morgen" im Juni 1966: Unsere Zeitung kündigte "Sechs Minuten Pilzkopf-Stop auf dem Hauptbahnhof" an: Ein Sonderzug, in dem die Beatles reisten, sollte in Mannheim halten. Der Redakteur, der die Meldung verfasste, wollte natürlich keine Gerüchte verbreiten. So hatte er noch einmal bei der Polizei nachgefragt, die "schon etwas gehört hatte, aber noch nichts Genaues". Ein Mitarbeiter der Bundesbahn war da schon auskunftsfreudiger: 12.40 Uhr treffe die Bahn ein, sie halte für sechs Minuten. Der Salonwagen, auch das stand im "MM", dürfe berührt werden.

Der Mannheimer Musikliebhaber Klaus Hiltscher erinnerte sich viele Jahre später in der Zeitschrift "Ketchup" an jenen Samstag: Wohl 2000 Fans warteten am Bahnhof auf die Stars aus Liverpool. Die Bahnsteigkarten - damals kostete das Betreten der Gleise Geld - waren längst ausverkauft. Aber: Niemand bekam die Beatles zu sehen, die laut "MM"-Bericht "auf einem Gütergleis durchgeschleust" worden waren.

So kamen rund 200 frustrierte Beatles-Fans auf die Idee, dem "Schuldigen" einen Besuch abzustatten: Man entschloss sich, schreibt Klaus Hiltscher, "zum ,MM' zu ziehen und selbigen einzureißen". Ganz so schlimm kam es glücklicherweise nicht - unsere Zeitung berichtete von einem "milden Sturm der Enttäuschten" und von vier vorläufigen Festnahmen. Hiltscher zufolge verhauten die Eindringlinge einen völlig ahnungslosen Portier und "schlugen das Portierhäuschen kurz und klein". akj

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