Fußball - Immer mehr junge Trainer erobern die Bundesliga, weil sich das Berufsprofil in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt hat

Die nächste Generation

Von 
Jürgen Berger
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Mannheim. Julian Nagelsmann sorgt mit der TSG Hoffenheim seit seinem Amtsantritt für Furore und wird als Trainerkandidat bei Bayern München und Borussia Dortmund gehandelt. Domenico Tedesco, einst Nachwuchscoach in Hoffenheim, überwintert mit Schalke 04 auf dem zweiten Platz – immer mehr junge Fußball-Lehrer erobern die Bundesliga. Doch es gibt auch Kritik. „Studenten haben die Nachwuchsleistungszentren und unsere große Liebe, den Fußball, übernommen“, schwang Ex-Nationalspieler Mehmet Scholl unlängst die Verbalkeule. Hier eine Analyse der Situation.

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Wie ist die Altersstruktur bei den Bundesliga-Trainern?

Der Altersdurchschnitt beträgt 44,8 Jahre. Bayern-Trainer Jupp Heynckes ist mit 72 der Älteste, Nagelsmann mit 30 der Jüngste. In den 50ern sind Ralph Hasenhüttl (50/Leipzig), Dieter Hecking (53/Mönchengladbach), Peter Stöger (51/Dortmund), Martin Schmidt (50/Wolfsburg) und Christian Streich (52/Freiburg), in den 40ern Heiko Herrlich (46/Leverkusen), Niko Kovac (46/Frankfurt), André Breitenreiter (44/Hannover), Pal Dardai (41/Berlin), Markus Gisdol (48/Hamburg) und Stefan Ruthenbeck (45/Köln), in den 30ern neben Nagelsmann noch Tedesco (32), Manuel Baum (38/Augsburg), Hannes Wolf (36/Stuttgart), Sandro Schwarz (39/Mainz) sowie Florian Kohfeldt (35/Bremen).

Warum gibt es in der Bundesliga aktuell so viele junge Trainer?

Der Trainerjob hat sich rasant weiterentwickelt. Früher waren viele Fußball-Lehrer bei ihrem Berufseinstieg älter, weil sie selbst Spieler auf hohem Niveau waren und erst nach ihrer Profikarriere mit der Trainerausbildung begannen. Heute gibt es viele Coaches, die ohne Profilaufbahn bereits in jungen Jahren bewusst diesen Weg einschlagen. Sie sind entsprechend früher bereit für Jobs in der Bundesliga – und kennen sich hervorragend mit den anspruchsvollen, modernen Trainingsmethoden aus. Sie wurden über die Nachwuchsleitungszentren im eigenen Verein entdeckt, gefördert und schließlich befördert. Immer mehr Manager sind von ihren fachlichen Qualitäten überzeugt. Ein weiterer Vorteil: Sie kennen Philosophie und Strukturen der Clubs bestens. Es gibt aber auch ältere Trainer, die in dieses Profil passen – etwa Christian Streich.

Was macht die jungen Trainer aus?

Die Trainer aus den Nachwuchsleistungszentren wissen, wie die aktuelle Profi-Generation anzupacken ist. Sie sind extrem ehrgeizig und lernfähig – aber auch Teamplayer. Durch ihre Erfahrung in hunderten Jugendspielen auf hohem Niveau haben sie einen genauen Plan von ihren Taktikvorstellungen, die sich auf die Bundesliga schnell übertragen lassen. Ein Vorteil für sie ist, dass die heutigen Erstliga-Kader eine ganz andere Alters- und Hierarchie-Struktur haben als früher.

Ist der Begriff Laptop- Trainer passend?

Zum Teil. Vor allem Nagelsmann, Tedesco und Wolf werden gerne als solche bezeichnet – aber auch ältere Kollegen nutzen längst modernste Methoden. Es gehört mittlerweile zum Handwerkszeug, durch modernste Methoden der Sportwissenschaft/Medizin/Spieldatenerfassung das Optimum herauszuholen. Nagelsmann glaubt, dass künftig noch mehr Spezialisten dazukommen werden. Neben einem Reha- oder Torwart-Trainer etwa ein spezialisierter Stürmer- und Abwehrcoach. „Der Trainer wird ähnlich wie im American Football quasi als Headcoach fungieren“, glaubt er. Dafür braucht man ein sehr breites Wissen, um das „Ganze“ zu steuern.

Wie hat sich das Berufsprofil verändert?

Gerade im Medienbereich wird mehr verlangt, die Trainer stehen vermehrt in der Öffentlichkeit. Auch die Vermittlung ist anders. „Früher hat man sich nach dem Turnvater-Jahn-Prinzip hingestellt, etwas erklärt und die Spieler haben es exakt so gemacht“, berichtet Frank Wormuth, Leiter der Fußball-Lehrer-Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln. „Die Gesellschaft hat sich verändert. Die soziale Interaktion ist immer wichtiger geworden. Und natürlich hat sich das Fußballspiel selbst immer mehr entwickelt.“ Seit Wormuth 2008 die Position des Chefausbilders übernommen hat, wurde die Trainerausbildung Schritt für Schritt professionalisiert. So ist der „Fußball-Lehrer“ heute für Trainer in der 1., 2. und 3. Liga eine Pflichtvoraussetzung.

Was sagen Trainer-Oldies wie Heynckes, Lienen und Funkel zu den jungen Kollegen?

St. Paulis Technischer Direktor Ewald Lienen (64), selbst mit 37 Trainer geworden, betont. „Es geht um Kompetenz, Sachverstand und schließlich Erfolg. Es gibt nicht alt und jung, sondern nur gut und schlecht.“ Jupp Heynckes (72), der seinen ersten Job bei Borussia Mönchengladbach mit 34 Jahren antrat, erklärt: Ich habe damals sehr viel lernen müssen. Wir sollten jungen Trainern Zeit geben, Fehler machen zu können. Es gibt guten Nachwuchs.“ Friedhelm Funkel (64), mit 37 Coach geworden, sieht es ähnlich: „„Ich finde es super, dass es viele junge Kollegen gibt. Das muss ja auch so sein und war bei mir nicht anders. Als ich mit 37 anfing, wurde ja auch von einem jungen Trainer gesprochen.“

Ist die Kritik von Mehmet Scholl berechtigt?

Nein, man kann die jungen Trainer noch gar nicht richtig bewerten, auch wenn Kritik an einer gewissen Gleichförmigkeit in den Nachwuchsleistungszentren sicher berechtigt ist. Der Bemessungszeitraum ist noch zu kurz. Niemand weiß, wie die Karrieren der Neulinge weiter verlaufen werden. Zudem muss bei den Äußerungen von Scholl oder auch Felix Magath („Ich glaube nicht, dass die sportliche Entwicklung besser wird, wenn man nur noch junge Trainer von Nachwuchsmannschaften in der höchsten Spielklasse einsetzt“) – berücksichtigt werden, dass beide derzeit ohne Trainerjob sind.

Redaktion Sportredakteur

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