Jahrestagung im Rosengarten - Kardiologen diskutieren in Mannheim über Biomarker, Datenanalyse und Krebs

Herzinfarkt-Diagnose so schnell wie nie zuvor

Von 
Madeleine Bierlein
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In der Herzmedizin gewinnen Daten- und Genanalysen nach Ansicht von Experten an Bedeutung. Sie erhoffen sich dadurch eine noch bessere Behandlung der Patienten. © Thinkstock

Mannheim. Von Notfallversorgung über Big Data bis hin zur personalisierten Medizin: Beim Kardiologenkongress im Mannheimer Rosengarten informieren sich 8500 Teilnehmer aus 25 Ländern noch bis Samstag über neue Entwicklungen in der Herzmedizin. Ein Überblick über einige wichtige Themen der Tagung:

Zahlen



  • Seit 1970 ist die Lebenserwartung in der westlichen Welt um rund zehn Jahre gestiegen. „Die Fortschritte in der Herz-Kreislaufmedizin haben dazu wesentlich beigetragen“, sagte der Heidelberger Kardiologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) Hugo Katus. Einer US-Erhebung zufolge sorgten Fortschritte in der Kardiologie von 1970 bis 2000 für durchschnittlich knapp vier Jahre mehr Lebenszeit.
  • Besonders stark ausgewirkt haben sich nach Angaben von Katus die Verbesserung der Rettungskette, die schnellere Identifikation von Infarktpatienten in sogenannten Chest-Pain-Units und die immer besseren Behandlungsmöglichkeiten.
  • Dennoch sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterhin Todesursache Nummer eins in Deutschland und für 39 Prozent aller Sterbefälle verantwortlich. Auf Platz zwei folgt Krebs mit 25 Prozent. mad

Brustschmerz-Einheiten

Ein Thema, das der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) besonders am Herzen liegt, ist der Erhalt von Brustschmerz-Einheiten, sogenannten Chest-Pain-Units. Diese gibt es unter anderem in Kliniken in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. „Ein Patient mit einem Herzproblem muss schnell optimal versorgt werden“, betonte der Heidelberger Kardiologe und DGK-Präsident Hugo Katus gestern zum Kongressauftakt. Dies garantierten zertifizierte Brustschmerz-Einheiten. Tendenzen, unter anderem aus Kostengründen, zentrale Notfallaufnahmen für alle medizinischen Disziplinen von der Chirurgie über die Orthopädie zu schaffen, nannte der Experte eine „gefährliche Strategie“. Angesichts dessen, dass bei einem Herzinfarkt jede Minute zähle, dürfe es nicht dazu kommen, dass Patienten mit untypischen Symptomen längere Zeit warten müssten. „Das bereitet uns große Sorge“, so Katus.

Analyse medizinischer Daten

Die Analyse großer Datenmengen – Big Data – wird auch die Herzmedizin revolutionieren. Davon haben sich Experten am ersten Kongresstag überzeugt gezeigt. „Zurzeit hat ein Kardiologe etwa fünf Minuten für den Patienten und um sich kurz den Arztbrief und die Laborwerte anzusehen“, sagte Tagungspräsident Thomas Eschenhagen vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Eine systematische Analyse der Daten durch Computer kann da ausgesprochen hilfreich sein.“ Der Pharmakologe bedauert, dass Deutschland in Sachen Big Data gegenüber den USA deutlich hinterherhinke. „Das hat viel damit zu tun, dass bei uns eher gefragt wird, was alles schiefgehen kann, statt was man damit Gutes machen kann.“ Doch er gibt sich überzeugt: „Das wird kommen.“

Biomarker

Auch Biomarker spielen in der Herzmedizin zunehmend eine Rolle. Dabei handelt es sich um Moleküle, die der Körper bei krankhaften Vorgängen bildet. Ein Beispiel dafür ist Troponin, das bei einer Schädigung des Herzmuskels freigesetzt wird. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt ermöglicht ein neuer Schnelltest bereits nach einer Stunde eine sichere Diagnose. „Das bedeutet eine stark verkürzte Zeit bis zum Beginn der Behandlung“, erklärte Katus. Werde kein Troponin im Blut nachgewiesen, könne ein Infarkt ausgeschlossen und der Patient nach Hause geschickt werden – was Kosten spare.

Personalisierte Medizin

Noch einen Schritt weiter als die Einbeziehung von Biomarkern geht es in der personalisierten Medizin. Darunter versteht man eine auf den einzelnen Patienten abgestimmte Therapie. „Sie spielt nicht nur in der Krebsmedizin eine Rolle“, sagte Tagungspräsident Eschenhagen. Der Pharmakologe geht davon aus, dass auch Kardiologen zunehmend gezielt Patienten behandeln werden. Voraussetzung dafür seien Ergebnisse aus genetischen Untersuchungen und der Datenanalyse.

Kardio-Onkologie

Zu einem immer wichtigeren Gebiet entwickelt sich derzeit die Kardio-Onkologie. „Sehr viele Patienten mit Tumorleiden sterben nicht am Krebs, sondern an Herz-Kreislauferkrankungen“, sagte Kardiologe Katus. So erkranken bis zu 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen – ausgelöst durch eine ungünstige Kombination von Medikamenten in der Chemotherapie – an einer schweren Herzschwäche. Und es gibt noch andere Wechselwirkungen zwischen Herzerkrankungen und Krebs. Beispielsweise wächst ein Tumor bei Patienten mit Herzschädigungen schneller. Das Problem ist dabei laut Katus noch zu oft: „Der Onkologe schaut nicht nach dem Herzen, der Kardiologe nicht nach dem Tumor.“ Das aber soll sich ändern, weswegen das Thema auch auf dem Kongress diskutiert wird. „Wir müssen die Patienten verfolgen und frühzeitig Herzschädigungen erkennen“, betonte der DGK-Präsident

Redaktion Nachrichtenchefin mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus

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