Immojournal

Von hohen Mieten und leeren Flächen

Baugebot: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer löst Debatte um verschärfte Baupflicht für Grundstückseigentümer aus

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dpa
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Boris Palmers Vorstoß zur Verschärfung des Baugebots stößt auf unterschiedliche Reaktionen. © Christoph Schmidt/dpa

Im Kampf gegen steigende Bau- und Mietpreise fordert der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) mehr Möglichkeiten, um Grundstückseigentümer zum Bauen zu verpflichten. „Das Bundesgesetz zum Baugebot ist so schwach, dass es niemand realisiert“, sagte Palmer. In vielen Fällen greife die Regelung nicht. „Wir haben in Tübingen etwa 500 sofort bebaubare Baulücken, die Eigentümer haben aber kein Interesse – sie halten das Grundstück teilweise schon seit Jahrzehnten vor.“ Daher müsse die Stadt auf alternativen Flächen bauen, was viel teurer und ökologisch falsch sei.

In der 87 000-Einwohner-Stadt Tübingen ist wie in anderen Universitätsstädten Wohnraum knapp. Statistiken zeigen, dass hohe Mieten längst nicht mehr nur ein Problem für Menschen in Großstädten wie München, Hamburg oder Berlin sind. Palmer forderte Bund und Länder auf, ihre Grundstücke zu fairen Preisen an die Kommunen zu verkaufen – in der Vergangenheit gingen sie meistens an den Meistbietenden. Um die Wohnkosten in bereits bestehenden Wohnungen unter Kontrolle zu halten, fordert Palmer Mietobergrenzen. Der Bund müsse den Kommunen gestatten, Höchstpreise für Mieten festzusetzen und Vermietungen nur nach Genehmigung des Mietpreises zu gestatten. „Damit würde die Luft aus der Spekulation mit Mietobjekten gelassen.“

Widerspruch kommt aus der genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft. „Palmer irrt. Und zwar richtig“, sagte der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner. Entscheidend sei, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht, daher müssten die Unternehmen bevorzugt werden, deren Mieten dauerhaft unter dem Mietspiegel lägen: „Sinnvoll wäre es, öffentliche Grundstücke an Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften zu verkaufen, weil diese die darauf errichteten Wohnungen über viele Jahre zu günstigen Mieten anbieten.“

Die Notwendigkeit, vorhandene Grundstücke zu bebauen, sieht auch der Deutsche Mieterbund. „Wenn Eigentümer nicht mitmachen, muss es die Möglichkeiten geben, sie zu zwingen zu bauen“, sagte Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Ein Abschöpfen von Spekulationsgewinnen hält er ebenfalls für sinnvoll, denn die Hoffnung auf eine Wertsteigerung des Grundstücks sei oft die Motivation dahinter, es nicht zu bebauen. Mietpreis-Obergrenzen steht der Mieterbund dagegen skeptisch gegenüber – das sei ja eigentlich die Idee der Mietpreisbremse, sagte Ropertz. Diese werde aber in den Ländern oft nicht oder unzureichend umgesetzt, deswegen sei eine bundesweite Regelung sinnvoll.

„In der Regel sind es Großinvestoren und Spekulanten, die ihre Grundstücke nicht bebauen“, sagte der Präsident des Eigentümerverbands Haus und Grund, Kai Warnecke. Sie würden bei der Vergabe von Bauland durch Kommunen bevorzugt, weil eine großflächige Vergabe weniger aufwendig sei. Über Baugebote müsse nicht diskutiert werden, wenn Flächen an kleine Eigentümer verkauft würden, argumentiert Warnecke. „Denn private Eigentümer bebauen die von ihnen erworbenen Grundstücke häufiger und schneller als Großinvestoren.“ Mietpreis-Obergrenzen oder Genehmigungspflichten hält der Verband für nicht vereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Der Präsident des Immobilien-Dachverbands ZIA, Andreas Mattner, sieht in der Bauland-Verknappung den „Flaschenhals der bezahlbaren Stadtentwicklung“. Ein regulatorischer Eingriff wie ein verschärftes Baugebot sei aber ein falsches Signal, sagte er. Wichtiger seien Anreize wie beschleunigte Baugenehmigungsverfahren und Planungssicherheit. Mietpreisobergrenzen und weitere Eingriffe zur Kappung von Neubaumieten brächten die Gefahr mit sich, dass das mittlere Preissegment verloren gehe. Wenn Projektentwickler gezwungen seien, einen Teil neuer Wohnungen zu einem festen Mietpreis im unteren Segment zu vergeben, stiegen die Mieten für andere Wohnungen. dpa

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