Seniorenstudium - Gasthörerin Traude Hornig erzählt von ihrer Studienerfahrung / Geschichte besonders beliebt

Mit 60 Jahren noch mal an die Uni

Von 
Julia Faulhaber
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Die 65-jährige Traude Hornig beginnt im Februar bereits ihr viertes Semester als Seniorenstudierende der Universität. © Faulhaber

An einem Dienstagmorgen um 10 Uhr im Mannheimer Schloss eilen unzählige Studierende zu ihren Vorlesungen und Seminaren, kaufen noch schnell einen Kaffee, um die frühe Uhrzeit zu kompensieren, und um sich dann, meist samt Laptop, in ihren Veranstaltungen einzufinden. Auch im Nordteil des Schneckenhofs füllt sich der „Lautenschläger-Hörsaal“ allmählich für die Vorlesung von Philipp Gassert, der in diesem Semester über die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsgesellschaft lehrt.

Gasthörer und Seniorenstudium

  • Zwischen Gasthörenden und Seniorenstudierenden gibt es keinen formalen Unterschied.
  • Zur Teilnahme wird kein bestimmter Bildungsabschluss vorausgesetzt, es können allerdings auch keine Prüfungsleistungen erworben werden.
  • Die nächste Infoveranstaltung für Interessierte eines Gasthörerstudiums findet am Freitag, 8. Februar, um 11.30 Uhr im Hörsaal M003 (Mittelbau) im Mannheimer Schloss statt.
  • Das Studienangebot ist fakultätsübergreifend.
  • Gasthörer können aus verschiedenen Veranstaltungen in Fächern wie BWL, Jura, Psychologie oder Medien und Kommunikation wählen. jaf

Jede Woche referiert er vor etwa hundert Studierenden, wie gewöhnlich sind viele unter ihnen gerade einmal Anfang Zwanzig. Doch die Zuhörerschaft seiner Vorlesung besteht zu einem beinahe genauso hohen Anteil aus Besuchern, die ihre Zwanziger längst hinter sich gelassen haben: die Seniorenstudierenden und Gasthörer.

Traude Hornig: „Etwas für den Verstand tun“

Eine der vielen geschichtsinteressierten Gasthörer ist die 65-jährige Traude Hornig. Sie kommt aus Lampertheim. Die ehemalige Grundschullehrerin und auch Schulleiterin hat sich pünktlich zum Beginn ihrer Pensionierung um ein Gasthörerstudium an der Universität Mannheim gekümmert, erzählt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Nun belegt sie bereits im dritten Semester Veranstaltungen an der Universität im Schloss.

Frau Hornig, als ehemalige Lehrerin haben Sie wahrscheinlich ein abgeschlossenes Hochschulstudium?

Traude Hornig: Das ist richtig. Ich habe Englisch und Geschichte auf Grund- und Hauptschullehramt studiert.

Wie sind Sie auf das Gasthörerstudium aufmerksam geworden?

Hornig: Als Leserin des „Mannheimer Morgen“ habe ich immer wieder die Hochschulseite angeschaut, da mich die Angebote der Hochschulen der Region schon immer interessiert haben. Für meinen Ruhestand nahm ich mir dann vor, ein Gasthörerstudium in Angriff zu nehmen.

Wie würden Sie Ihre Erfahrungen als Gaststudierende an der Universität Mannheim beschreiben?

Hornig: Ich habe bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Es ist unheimlich angenehm etwas für den Verstand und für sich selbst zu tun, ohne den Druck und die Verpflichtung zu haben, eine Leistung erbringen zu müssen. Zudem habe ich durch Zufall auch alte Bekannte wiedergetroffen, die ebenfalls ein Seniorenstudium aufgenommen haben.

Sie sitzen in denselben Veranstaltungen wie reguläre Studierende. Findet da auch ein Austausch statt?

Hornig: Generell ist das schon eher separiert, aber wenn man freundlich auf Menschen zugeht, dann kommt das meistens auch so zurück.

Hat sich Ihrer Ansicht nach viel seit Ihrer eigenen Zeit als Studentin verändert?

Hornig: Mal abgesehen von den Veränderungen im Zuge der Digitalisierung, hat sich eigentlich nicht sonderlich viel verändert. jaf

„Zeit Online“ schrieb schon 2015, das Gasthörerstudium sei beliebter denn je, zudem sei kein Fach so gefragt wie Geschichte. Und tatsächlich: Überblickt man die Reihen des Vorlesungssaals während einer Veranstaltung wie der von Philipp Gassert, wird diese Aussage bekräftigt. Viele der Zuhörer absolvieren ein Seniorenstudium.

Warum gerade der Fachbereich Geschichte der Renner bei den Seniorenstudierenden ist, könnte damit zusammenhängen, dass viele etwa den Fall des Eisernen Vorhangs oder die Gastarbeiterströme in den 1960er Jahren selbst miterlebt haben – was reguläre Studierende nur aus Büchern oder dem Geschichtsunterricht kennen. Der persönliche Bezug zur Geschichte wird auch im Verlauf der Vorlesung deutlich. Zwischen vielen Beiträgen der Gasthörer befragt der Professor allerdings explizit die gängigen Studierenden zum Thema – immerhin müssen diese am Ende die Klausur zur Vorlesung bestehen, das fällt für Gast- und Seniorenstudenten weg. In Sachen Lerneifer stecken viele Seniorenstudierende allerdings ihre jüngeren Kommilitonen in die Tasche.

Lernen kennt kein Alter

Ein Gasthörerstudium ist nicht nur auf die Geschichtswissenschaft beschränkt. Mit einem Blick auf die Webseite der Uni ist schnell zu sehen, dass in Mannheim Gast- und Seniorenstudierende aus einer Vielzahl von Veranstaltungen aus allen möglichen Fachbereichen wählen können. Von Betriebswirtschaftslehre zu Volkswirtschaftslehre, von Romanistik zu Anglistik, von Jura zu Psychologie: Lerneifrige in jedem Alter, die keinen Hochschulabschluss anstreben, steht ein vielfältiges Bildungsangebot zur Verfügung.

Das Konzept zeigt, dass Alt und Jung zusammen und voneinander lernen können. Ob nun älteres Semester oder nicht, stets gilt: Man lernt nie aus.

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