Interview

Daniel Craig über sein Ende als James Bond

Von 
Patrick Heidmann
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Daniel Craig 2015 bei der Premiere des Bond-Films „Spectre“ in London. © dpa

Bevor er im April ein letztes Mal als James Bond zu sehen sein wird, gibt es Daniel Craig bereits jetzt als Ermittler in Sachen Recht und Ordnung auf der Leinwand zu sehen. In der Krimikomödie „Knives Out - Mord ist Familiensache“ spielt der Brite einen Privatdetektiv, der den Mord an einem wohlhabenden Familienpatriarchen aufklären soll und in seinen zahlreichen Angehörigen jede Menge Verdächtige vorfindet. Bei den Golden Globes, die in der Nacht von Montag auf Sonntag verliehen werden, ist nicht nur der Film von Rian Johnson als Beste Komödie nominiert, auch Craig und seine Kollegin Ana der Armas dürfen sich Chancen ausrechnen.

Mister Craig, wenn man Sie in „Knives Out - Mord ist Familiensache“ sieht, bekommt man den Eindruck, Sie hätten lange nicht mehr so viel Spaß bei der Arbeit gehabt...

Daniel Craig: Da will ich nicht widersprechen. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, diesen Film zu drehen, und das habe ich schon geahnt, als ich das Drehbuch in die Hände bekam. Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist in meinem Beruf so wichtig wie das Skript. Und wenn eines daher kommt, dass so fantastisch ist wie nun dieses von Rian Johnson, dann reißt man es mit beiden Händen an sich und lässt es nicht mehr los.

Sie spielen den herrlich komischen Privatdetektiv Benoit Blanc. Was gefiel Ihnen an dieser Rolle?

Craig: Vor allem sein wortreiches Auftreten, nicht zuletzt in Kombination mit diesem wunderbaren Südstaatenakzent. Mir kamen Leute wie William Faulkner, Tennessee Williams oder der Historiker Shelby Foote in den Sinn. Männer, die einfach verdammt gut mit Worten und Sprache umgehen können. Die Kunst des Sprechens, die ja auch Shakespeares Sache ist, finde ich faszinierend, vielleicht gerade, weil ich privat nicht der Meister darin bin (lacht). Dieser Benoit Blanc jedenfalls redet und redet so lange bis er dadurch die Antworten findet, nach denen er sucht.

Sie haben sich also tatsächlich mehr von Faulkner und Shakespeare inspirieren lassen als von Hercule Poirot?

Craig: Von dem natürlich auch. Genauso wie von Miss Marple, Columbo oder Kojak (lacht). Sie können sich sicher sein, dass es kaum einen neugierigen Ermittler gibt, bei dem ich mich für diese Rolle nicht bedient habe. Albert Finney und Peter Ustinov als Poirot sowieso! Rian Johnson und ich sind auch beide große Fans des Films „Mord mit kleinen Fehlern“ aus den Siebzigern.

Erstaunlicherweise hat Johnson den Film mit viel gesellschaftspolitischem Subtext und Kommentaren versehen. Traf das Ihren Nerv oder finden Sie, dass Unterhaltungskino sich eher fern halten sollte von Politik?

Craig: Ich finde, das Kino sollte sich von gar nichts fernhalten. Im Gegenteil! Aber es ist eben auch richtig, dass es ganz verschiedene Arten von Kino gibt. Manche Filme sind reines Entertainment, andere sind gerade deswegen brillant, weil sie einer politischen Agenda entspringen. „Knives Out“ wiederum wandert auf einem spannenden, schmalen Grat, weil er keine bestimmte Botschaft vor sich herträgt und nicht auf eine einzige Position festzulegen ist. Man kann im Kino sitzen und sich bestens unterhalten lassen, ohne ein einziges Mal wirklich über Politik nachzudenken. Aber man kann sich eben auch auf dem Nachhauseweg die Köpfe heiß diskutieren. Meinen Geschmack traf das voll, denn oft sind ja die spannendsten Filme die, bei denen man am Ende etwas gelernt oder eine Botschaft mitgenommen hat, ohne dass man es wirklich mitbekommen hat.

Ein Star Ihres Formats ist häufig uneingeschränkter Hauptdarsteller, fast ein Solist. In „Knives Out“ dagegen sind Sie Teil eines Ensembles. Eine ungewohnte Position?

Craig: Vor allem eine große Freude. Gerade weil die Geschichte ja fast eine Art Kammerspiel und über weite Teile nur in diesem einen Haus angesiedelt ist. Jeden Morgen zur Arbeit zu gehen und zu wissen, dass da diese unglaubliche Gruppe talentierter Kolleginnen und Kollegen auf mich wartet, gehörte zu den größten Freuden meiner Karriere. Ich weiß, dass es ein enormes Privileg ist, dass ich im Moment so erfolgreich und berühmt bin, dass ich mir praktisch aussuchen kann, mit wem ich zusammenarbeite. Aber dass in einem Ensemble dann wirklich die Chemie so sehr stimmt wie dieses Mal, das ist schon ein großes Glück.

Mit Ensembles kennen Sie sich aus, schließlich begannen Sie Ihre Karriere am Theater. Denken Sie manchmal darüber nach, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Ihre Mutter Sie nicht als Kind schon mit ins Everyman Theatre in Liverpool genommen hätte?

Craig: Mit Sicherheit habe ich meiner Mutter alles zu verdanken, und es ist gut möglich, dass mein Leben einen vollkommen anderen Verlauf genommen hätte, wenn ich nicht so früh diese Theaterwelt für mich entdeckt hatte. Dass Everyman wurde damals in den Siebzigern für mich zu einer Art zweitem Zuhause. Ich durfte mich hinter der Bühne herumtreiben und all diesen brillanten Künstlerinnen und Künstlern bei der Arbeit zu sehen. Viele der besten Schauspieler der Generationen vor mir traten damals in Liverpool auf. Für mich, der da an der Seitenbühne stand und sie beobachtete, waren das Götter. Frühestens, wenn ich sie abends im Pub wiedersah, wurde mir klar, dass es eben doch nur Menschen sind (lacht). Aber so wurde mir allmählich klar, welchen Weg ich einschlagen will.

Geführt hat der Weg Sie nach ganz oben, nicht zuletzt Dank James Bond...

Craig: Ach, das war ja klar, dass wir bei dem Thema noch landen würden. Aber glauben Sie mal nicht, dass ich Ihnen etwas über „Keine Zeit zu sterben“ verraten werde. Da müssen Sie sich schon gedulden, bis der Film im April ins Kino kommt.

Stimmt es denn aber, dass Sie kurz vor Drehbeginn dafür gesorgt haben, dass die „Fleabag“-Schöpferin Phoebe Waller-Bridge noch einmal das Drehbuch umschrieb?

Craig: Das ist richtig. Irgendwie steckte das Skript fest, die Sache war noch nicht so rund wie wir uns das vorstellten. Das ist bei großen Filmen dieser Art nichts ungewöhnliches. Also schlug ich vor, mal bei Phoebe anzuklopfen. Da ging es mir gar nicht um eine bestimmte Agenda oder so, sondern einfach nur darum, dass ich schon lange ein Fan von ihr bin und „Fleabag“ einfach wunderbar finde. Aber sie hat eben auch mit der Serie „Killing Eve“ aus dem Geheimagenten-Genre was ganz Neues herausgeholt. Phoebe ist eine fantastische Autorin und wir können uns glücklich schätzen, dass sie zugesagt hat.

Eine Autorin, die womöglich noch mal einen ganz anderen Blick auf Bond und die Frauen in seinem Leben hat - das passt auf jeden Fall zu der Richtung, die die 007-Reihe mit Ihnen in der Hauptrolle eingeschlagen hat. War es 2006, als Sie in „Casino Royale“ das Ruder übernahmen, Ihre Absicht, James Bond zu modernisieren?

Craig: Zunächst einmal müssten Sie eher unserer Produzentin Barbara Broccoli diese Frage stellen, nicht mir. Aber vor allem würde ich behaupten, dass Bond sich immer schon ständig verändert und weiterentwickelt hat. Und genau darin liegt meiner Meinung nach auch der Schlüssel zum Erfolg der Filme.

Ihre Ära als 007 geht nun jedenfalls zu Ende. Wie würden Sie sie rückblickend beschreiben?

Craig: Ich denke, dass in den Filmen, in denen ich Bond spielte, ein neuer Realismus Einzug hielt in diese Geschichten. Mir war wichtig, dass die Sache nie zu abgehoben ist und das Publikum wirklich eine emotionale Reaktion auf das hat, was es zu sehen bekommt. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir nie aus den Augen verloren haben, in welcher Tradition wir stehen und dass es in den Filmen um Unterhaltung geht. Für mich schloss sich das nie aus mit einem respektvollen Umgang mit den Frauenfiguren. Darüber mussten wir sowieso nie ein Wort verlieren, der gehörte für mich ganz selbstverständlich dazu.

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