Das Interview - Der Festivalleiter Kanber Altintas wünscht sich stärkere Verbindungen in Kultur, Politik und in der Kunst

"Wir wollen eine Brücke bauen"

Von 
Jaspar Glaschke
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Das TürkFilmFestivali ist das älteste Festival für türkische Filme in Deutschland. 1987 gegründet, dient es vielen ähnlichen Formaten in Nürnberg, München und Berlin als Vorbild. Das 25. Festival findet an vielen verschiedenen, kulturell einflussreichen Orten in Mannheim statt, wie den Reiss-Engelhorn-Museen, dem Technoseum, Port 25 und C-Hub, dem Goethe-Institut und der Abendakademie statt - ein Gespräch mit Festivalchef Kanber Altintas.

Altintas und das Filmfestival

  • Kanber Altintas wurde 1950 in Buganac in Mittelanatolien geboren. Für das Studium der Volkswirtschaftslehre zog er 1971 nach Heidelberg und wohnt seit 1984 in Mannheim. Altintas leitete für 20 Jahre das deutsch-türkische Kulturzentrum und unterstützte die Integration durch Kurse an der Abendakademie und als Berufsschullehrer.
  • Das TürkFilmFestivali gründete er 1987. Dieses Jahr findet die 25. Ausgabe von 18. bis 22. Oktober statt. Insgesamt werden 21 Filme in verschiedenen Kategorien gezeigt - etwa Wettbewerb, Komödien oder Kurzfilme. Die Filme sind in türkischer Originalfassung und sind fast alle deutsch, ansonsten englisch untertitelt.
  • 3000 Besucher erwarten die Veranstalter, schätzungsweise die Hälfte mit Migrationshintergrund.
  • Der Festivalpass kostet 25 Euro, ermäßigt 20. Einzelne Eintritte kosten sieben und fünf Euro. Der VVK findet im REM in D 5 statt. aspar
  • Im Netz: turkfilmfest-mannheim.de

Herr Altintas, rezipieren die deutschen Mannheimer das Festival anders als in den 80er Jahren?

Kanber Altintas: Es sind mehr geworden! Die Deutschen sind neugieriger, natürlich waren sie schon immer sehr offen, aber mittlerweile durchmischt es sich besser.

Gibt es durch die aktuelle politische Situation Einschränkungen?

Altintas: Ich weiß nichts von Einschränkungen der Künstler. Unser Ziel ist ein friedliches Zusammenleben vor Ort, und dass wir im Dialog bleiben. Wenn man zusammenkommt, spricht man auch über Kunst, Kultur, Politik. Das soll zwischen den Menschen stattfinden. Es ist mir auch sehr wichtig, dass die türkische Gesellschaft die wichtigen kulturellen Einrichtungen dieser Stadt kennenlernt und teilnimmt.

Das Programm des Festivals zeigt keinen dezidiert politischen Film. Bräuchten wir im Moment nicht mehr politische Filme?

Altintas: Ein Film ist immer politisch. Jedes Land, jede Nation, jeder Film, jeder Künstler hat seine Filmsprache. Und in dieser Sprache erzählt der Künstler auch die Weltanschauung und Probleme der Gesellschaft und die verschiedenen Traditionen. Es kann sein, dass es politischere Filmfestivals gibt, aber das ist nicht meine Aufgabe, das ist nicht mein Konzept.

Das türkische Kulturministerium ist Förderer des TürkFilmFestivali, ein Schirmherr ist der türkische Generalkonsul in Karlsruhe. Sind Sie dadurch der türkischen Regierung verpflichtet?

Altintas: Diese Institutionen fördern Kultur. Kultur ist für alle da! Es ist für den deutschen und den türkischen Staat sehr wichtig, dass die Kulturen einander bekannt sind. Die beiden Länder haben eine enge Verbindung. Auch die deutsche Regierung fördert deutsche Filme und kulturelle Veranstaltungen im Ausland. Das Ministerium und das türkische Konsulat unterstützen und fördern uns, und das gehört dazu.

Was wollen Sie mit dem Festival erreichen?

Altintas: Ich möchte natürlich, das wünscht sich jeder Festivalleiter, mehr Publikum. Aber ich möchte auch mehr Dialog innerhalb des Publikums über Kunst, Kultur, sowohl die deutsche als auch die türkische, über Musik, Film und Kreativität. Dass die Menschen sich in den Dialog einbringen und sich ihre Weltanschauung verändert, wenn sie durch die Filme andere Menschen, Länder und Traditionen erfahren.

Der türkische Film ist eine eigene Kategorie, die seit einiger Zeit zahlreiche renommierte Preise gewinnt, beispielsweise die Goldene Palme für den Film "Winterschlaf". Was ist typisch für die türkische Filmästhetik?

Altintas: Die Türken sind eine vielfältige Bevölkerungsgruppe, in der Türkei kommen viele Kulturen zusammen, und dadurch entsteht immer Kreativität. Die Dialoge spielen eine Rolle, auch die Kameraführung. Es ist sehr schwierig, das handfest zu bestimmen, die Filmemacher haben eine individuelle Sprache. Das Handwerk des türkischen Films beginnt in Deutschland: Viele Filmemacher haben in Deutschland gelernt. Auch da gibt es eine sehr gute Brücke. Und diese ganzen Brücken sind genau dieses Element, das türkische Filme ausmacht.

Inwieweit ist das Festival für die Nachwuchsgeneration der türkischen Auswanderer wichtig, die deutsch und türkisch sind?

Altintas: Für die ist es interessant, die Wurzeln ihrer Eltern zu erforschen. Das Land ihrer Eltern, damit sie auch eine eigene stabile Brücke bauen können. Die fühlen sich hier zugehörig. Es gibt welche, die Probleme haben, aber die Zahl ist gering, mittlerweile fühlen sich viele mit dieser Brücke wohl. Sie sind zufrieden damit, weil auch die Welt, die so klein geworden ist, sich zu einer Brücke entwickelt. Viele Jugendliche werden ein universelles Leben bevorzugen, nicht einen abgeschlossenen Raum.

Auf welchen Filmbeitrag freuen sie sich persönlich am meisten?

Altintas: Das ist sehr schwierig, schon die Filmauswahl haben wir uns nicht leicht gemacht. Jeder Film hat seine Stärke, seine Persönlichkeit. Jeder Künstler hat seinen eigenen Stil. Besonders interessant sind bestimmt die Wettbewerbsfilme.

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