Zum Artikel "Kabinett billigt Abzug" vom 8. Juni:
Es ist schon überraschend, mit wie viel Beifall die Militäraktivistin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bedacht wird, nachdem sie sich in Jordanien persönlich über die Möglichkeit einer Truppenverlegung informiert - und diese nun auch durchgesetzt hat.
Sicherlich ist dieser Rückzug aus dem türkischen Incirlik durch die massive Zunahme undemokratischer und diktatorischer Anzeichen seitens Erdogans mehr als gerechtfertigt. Aber nun wird vollkommen übersehen, dass Deutschland zum erstem Mal zumindest bedingt kampffähige Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg Truppen außerhalb eines angeblichen Verteidigungsbündnisses stationiert. Doch dieser Tabu-Bruch scheint niemanden zu stören.
Man konnte und kann es drehen, wie man will, die Türkei war und ist immer noch ein Nato-Mitglied, was sicherlich genug über das Werteverständnis dieses Bündnisses aussagt. Dieser Offensiv-Geist, der in der deutschen Politik wieder salonfähig geworden ist, wird unkritisch hingenommen. Bei Kanzlerin Merkel merkt niemand, dass bei Staatsbesuchen, wie zuletzt durch den chinesischen oder indischen Präsidenten, Menschenrechte ausdrücklich unerörtert bleiben.
Politik nie unabhängig
Inzwischen hat man es offenbar nicht einmal mehr nötig, den Schein eines Einsatzes für Menschenrechte auf der ganzen Welt moralisch einzufordern. Offenbar sieht man dank eines Präsidenten Trump, dass man mit der Wahrheit nach Belieben verfahren kann, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen.
Politik war noch nie von wirtschaftlichen Interessen unabhängig, aber so unverfroren wurden noch nie allein wirtschaftliche und geopolitische Interessen als alleinige Maßstäbe für politisches Verhalten dargeboten.