Antisemitismus wird „islamifiziert“

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Zum Leserbrief „Versagen gegenüber dem muslimischen Judenhass“ vom 26. Oktober zum Thema Antisemitismus:

Rechte Ideologen wie Gunter Zimmermann scheuen sich nicht, einen Anlass zu finden, ihre verquere Weltsicht immer wieder neu zu verpacken. Dabei lassen sie sich nicht von Fakten beeindrucken. Sie spielen mit Emotionen und versuchen, eine Minderheit gegen eine andere auszuspielen – hier Muslime gegen Juden. Das verbinden sie dann auch noch mit dem Vorwurf, die Politiker seien an allem schuld.

Menschen mit gesundem Menschenverstand sollten sich von solcherart übel zusammengerührten Vorwürfen nicht beeindrucken lassen. Wenn jemand die „volle Verantwortung“ für die Judenfeindlichkeit hat, dann sind es vor allem die unbelehrbaren rechten Nationalisten, die das Dritte Reich für einen Vogelschiss der Geschichte halten und auch zu einem unguten Teil wir, wenn wir uns nicht entschieden dagegen aussprechen.

Die Statistiken des Innenministeriums sind eindeutig. 90 Prozent aller antisemitischen Straftaten werden von – einheimischen – Rechtsradikalen verübt. Weniger als ein Zehntel der Angriffe werden von Ausländern mit ausländischen oder religiösen Ideologien und Linken verübt. Dazu passt, dass Antisemitismus in aller Öffentlichkeit stattfindet – wenn auch oft hinter angeblich „berechtigten“ Anliegen versteckt. Und oft in gemütlichen Zirkeln. Wer hat nicht schon bei Bier und Wein im Freundes- und Bekanntenkreis, von Gebildeten und weniger Gebildeten, die üblen und üblichen gegen Juden gerichtete Verschwörungstheorien gehört und geschwiegen, weil man die angenehme Atmosphäre nicht stören wollte?

Und das schon vor 2015, bevor die Flüchtlinge aus Syrien kamen und mit ihnen viele aus anderen muslimischen Staaten. Der neue Trick der Rechten: Es gehört nun schon seit Beginn der „Flüchtlingswelle“ zur rechten Gesinnung, den Antisemitismus zu „islamifizieren“. Das gelingt offensichtlich, weil es unter Flüchtlingen eine komplizierte Gemengelage aus Ablehnung des jüdischen Staates und seiner Politik und islamischen Verschwörungstheorien gibt, die interessanterweise den klassischen Verschwörungstheorien unserer Rechtsgesinnten sehr ähnlich sind.

Dass auch extreme Linke nicht klar Israel-Kritik und antisemitische Stereotype unterscheiden, kann allerdings die Rechten mit ihrer üblen Jauche nicht entlasten. Wenn weniger als ein Zehntel der Angriffe von Ausländern mit ausländischen oder religiösen Ideologien ausgeübt werden, dann dürfte die Unterstellung von Gunter Zimmermann, wonach Muslime die Rechten zu ihren Taten stimulieren, wohl eher als abstrus einzuordnen sein.

Günther Kirchner, Mannheim

In seinem Leserbrief lässt Gunter Zimmermann seinem Hass auf Muslime freien Lauf. Dass Ihre Zeitung für den Abdruck eines solchen Briefes eine sehr prominente Stelle ausgewählt und ihn mit einer reißerischen Überschrift versehen hat, überrascht mich. Ich schätze Ihre Zeitung für die sonst immer ausgewogenen und verantwortungsbewussten Veröffentlichungen.

Zimmermann verbindet schon in seinem ersten Satz völlig bedenkenlos den unsäglichen Anschlagversuch auf die Synagoge in Halle mit dem angeblichen muslimischen Judenhass und behauptet allen Ernstes, die Wiederbelebung des deutschen Judenhasses verdanke sich in erster Linie der deutschen Schwäche gegenüber dem Antisemitismus der ins Land geholten Muslime.

Wenn es so wäre, wäre es schlimm genug. Aber es ist schlimmer. Der sich gerade wieder ausbreitende „neue“ Antisemitismus ist leider der alte. Das bedeutet, dass er auf den 2000 Jahre alten christlichen Antijudaismus zurückgeht, der im 19. Jahrhundert in eine dann auch wirtschaftlich-sozial begründete Judenfeindschaft überging. Zu den alten Klischees sind damals neue gekommen (zum Beispiel „jüdische Weltherrschaft“).

Dass Vorbehalte gegenüber Juden nicht mehr nur an den stiefelbewehrten Rändern, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, wie der Bundespräsident neulich erst feststellte, ist leider wieder Realität. Antisemitismus unter Muslimen gibt es leider auch. Vor allem bei Arabern, die mit der Existenz und den kriegerischen Aktionen Israels konfrontiert waren und es noch sind.

Wenn sie, etwa als Flüchtlinge, bei uns leben, ist eine solche Haltung für uns nicht akzeptabel und muss abgewehrt werden. Andere Muslime, zum Beispiel die über 200 Millionen Einwohner Indonesiens oder die fast ebenso vielen muslimischen Inder sind in der Regel nicht antisemitisch. In den islamischen Herrschaftsgebieten der Vergangenheit haben die Juden über Jahrhunderte hinweg mehr Frieden und Freiheit und ein besseres Leben gehabt als in den christlichen.

Manfred K. Nagler, Mannheim

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/335nucy

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