Bischöfe müssen mutigen Weg konsequent fortsetzen

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Zum Papstbrief

Papst Franziskus hat am Fest Peter und Paul (29. Juni) an die deutschen Katholiken einen Brief geschrieben. Das ist ungewöhnlich. Und er ermuntert das Kirchenvolk, „die Augen vor der Realität nicht zu verschließen.“ Papst Franziskus stellt „die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens“ fest. Aber er nennt keine Gründe dafür. Könnten die vielleicht im massiven Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust des Klerus zu suchen sein? Wie er aufgrund der jahrzehntelang ausgeübten und vertuschten geistlichen und sexualisierten Gewalt gegenüber Kindern, Jugendlichen, Seminaristen sowie Frauen und Ordensfrauen eingetreten ist, den der Papst aber völlig unerwähnt lässt?

Könnte er auch zu suchen sein in der verkrusteten Sprache der offiziellen Theologie und in den antiquierten, teilweise sogar missverständlichen Formeln des Glaubensbekenntnisses? Papst Franziskus beklagt den „drastischen Rückgang der Besucher der Sonntagsmesse sowie beim Empfang der Sakramente“. Könnten die Gründe dafür vielleicht in der steril gewordenen, wenig ansprechenden, klerikal dominierten Form der Eucharistiefeier zu suchen sein, die häufig lieblos und routiniert „abgefeiert“ wird? Oder in den immer stärker ausgedünnten „Seelsorgeeinheiten“?

Wer setzt sich schon ins Auto und fährt kilometerweit, um irgendwo an einem „zentralen“ Ort der Sonntagsmesse beizuwohnen, nur deswegen, weil die Kirchenleitung nicht bereit ist, dafür zu sorgen, dass ausreichend Gemeindeleiter und -leiterinnen ordiniert werden, damit in jeder Gemeinde sonntags die Eucharistie gefeiert werden kann? Papst Franziskus erwartet „im Blick auf die Entwicklung eines gesunden aggiornamento‚ einen langen Reifungsprozess und die Zusammenarbeit eines ganzen Volkes über Jahre hinweg.“ Aber die sogenannten „Laien“ werden von den deutschen Bischöfen nicht zur Mitverantwortung zugelassen. Eine ehrliche „Zusammenarbeit des ganzen Volkes über Jahre hinweg“ auf Augenhöhe wird kaum angestrebt. Von der „Herde“ der „Laien“ wird stattdessen noch immer gehorsames Befolgen „oberhirtlicher“ Anweisungen gefordert.

Papst Franziskus beklagt, dass „eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich darin bestehe, zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen seien. Grundlage dieser Versuchung ist der Gedanke, die beste Antwort angesichts der vielen Probleme und Mängel bestehe in einem Reorganisieren der Dinge, in Veränderungen und in einem ‚Zurechtflicken’, um so das kirchliche Leben zu ordnen und glätten.“ Die deutschen Bischöfe sollten sich diese Passagen dringend zu Herzen nehmen. Denn sie versuchen, wie bei einer Insolvenzverwaltung durch bürokratische „Pastoralpläne“ den Schein einer funktionierenden Seelsorge zu wahren.

Die deutschen Bischöfe sind aufgefordert, den von ihnen eben erst in Gang gebrachten „synodalen Weg“ mutig und konsequent fortzusetzen und sich nicht wieder beim „Dialogprozess“ von Hardlinern ausbremsen zu lassen. Wenn die große Mehrheit der deutschen Bischöfe sich nicht gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Katholiken, den theologischen Wissenschaftlern und allen reformwilligen Kräften auf den Weg macht, dann sieht es finster aus für die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland.

Norbert Scholl, Wilhelmsfeld