Bodenlose Frechheit

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Zum Artikel „Das ,Aufräumen’ muss noch warten“ vom 19. Mai:

Die Personalkostendrückerei durch „Outsourcing“ von Leistungen an Subunternehmer, sehr oft über sogenannte Werkverträge, wird schon lange von Unternehmen in Deutschland – vom „feinen“ DAX-30-Unternehmen bis zu den „Sorgenkindern“ aus der Fleisch-, Transport-, Bau-, Gebäudereinigung- oder Pflegebranche und so weiter – betrieben.

Die, euphemistisch ausgedrückt, prekären Arbeits-, Lohn und Wohnverhältnisse der Niedriglohnarbeiter, häufig aus (Süd)Osteuropa kommend, ist zumindest den Auftraggebern und Politikern schon lange bekannt, wurde aber bewusst nichtöffentlich thematisiert. Die Covid-19-Ausbrüche bei Arbeitern von Schlachtbetrieben haben dieser Verschleierung jüngst ein Ende bereitet.

Prekäre Auswüchse

Wenn sich dann Politiker von Merkel, über Heil bis Klöckner erstaunt zeigen, ob dieser prekären Verhältnisse der Niedriglohnarbeiter, ist das eine bodenlose Frechheit. Die Damen und Herren haben sich in der Vergangenheit einfach nicht mit der nötigen Vehemenz um das Problem gekümmert. Die genannten ausländischen Arbeitskräfte sind ja auch keine potenziellen Wähler, denen man Geschenke machen muss wie seiner sonstigen Wählerklientel.

Neben solchen scheinheiligen Politikern sollte auch jeder schwärmerische EU-Anhänger einmal darüber nachdenken, ob nicht gerade diese EU mit ihrer grenzenlosen Arbeitnehmerfreizügigkeit und -überlassung solche prekären Auswüchse erst möglich gemacht hat. Die genannten Covid-19-Ausbrüche haben brutal gezeigt, wie schäbig, zumindest ignorant, auch wir im vermeintlich reichen Deutschland mit den vielen in bei uns unbeliebten und kräftezehrenden Berufen arbeitenden Menschen aus Bulgarien, Rumänien, Polen, Ukraine, Moldawien, und so weiter umgehen; Menschen, die für „günstiges Geld“ unsere Angehörigen pflegen oder hauswirtschaftlich betreuen, unser Fleisch im Akkord zerlegen, unser Obst und Gemüse säen und ernten, mit den Lastwagen Güter durch ganz Europa fahren, unsere privaten und gewerblichen Räume putzen, Industrieanlagen und Gebäude errichten und, und, und.

Diesen Leuten haben wir ein großes Stück unseres westlich-individualistischen Lebensstils und günstige Lebenshaltungskosten zu verdanken. Und die Unternehmen verdanken nicht zuletzt ihnen eine „schöne Rendite“.

Rüger Schlund, Ludwigshafen

Originalartikel unter https://bit.ly/2M0CK3y