Zum Artikel „Schlechtere Note bei türkischem Namen“ vom 25. Juli:
Sollte dem so sein, so ist das eine Ungeheuerlichkeit, aus der sofort Konsequenzen gezogen werden müssten. Für mich allerdings ist das nur schwer nachvollziehbar, da bei Diktaten üblicherweise einer bestimmten Fehlerzahl eine bestimmte Note zugeordnet ist. Haben Max und Murat dieselbe Anzahl von Fehlern, haben sie auch dieselbe Note. Sollte man den Korrigierenden erlaubt haben, verschiedene Fehler-Notentabellen zu verwenden, so ist deren unterschiedliche Bewertung eine unzulässige Diskriminierung. Punkt!
Doch dann vermischt der Professor der Pädagogischen Hochschule in der sich daraus ergebenden Konsequenz eindeutig Fakten und moderne Gleichmacherei in der Pädagogik. Obwohl es richtig ist, dass sich Bildung nicht der Wirtschaft unterzuordnen hat, gilt dennoch, dass sich die Bewertung einer Leistung nicht nur an der persönlichen Anstrengung, sondern auch am erzielten Ergebnis zu orientieren hat.
Ein Monteur, der acht Stunden braucht, um drei von vier Reifen zu wechseln, ist eben nicht gut, sondern ungenügend, egal welche Anstrengung er persönlich aufgebracht hat. Dass der Monteur für seine Verhältnisse Überdurchschnittliches geleistet haben mag, ist eine Sache, dass das Auto aber nicht fahrbereit ist, eine andere.
Folgte man nämlich der neuen pädagogischen „Relativitäts“- oder „Beliebigkeits“-Theorie des Herrn Professors, gäbe es zukünftig nur noch eine einzige Verbalbeurteilung für alle nur denkbaren Fälle und die lautet: „Für ihre/seine Verhältnisse ist die gezeigte Leistung sehr gut.“ Und damit könnte niemand etwas anfangen, egal ob die Noten im Allgemeinen über- oder unterbewertet werden.
So einen Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Das kommt einem wie ein Aprilscherz vor. Fünf Fehler im Diktat sind fünf Fehler, fünf Punkte in Mathematik sind fünf Punkte und entsprechen einer bestimmten Note, sowohl bei Max als auch bei Murat.
Der konstruierte Fall ist unrealistisch? Ja, muss ich als ehemaliger Lehrer sagen. Bei der Korrektur eines Diktats liegt ein bestimmter Notenschlüssel zugrunde. Und je nachdem, für welchen Notenschlüssel die Lehrerin beziehungsweise der Lehrer sich nach Schwierigkeit des Diktats entscheidet – das ist ihre beziehungsweise seine pädagogische Freiheit –, sind fünf Fehler zum Beispiel Note 2, und zwar bei Max und bei Murat. Da bleibt einer Lehrkraft gar kein anderer Spielraum. Eine schlechtere Note bei gleicher Fehlerzahl wäre nicht objektiv und jederzeit anfechtbar! Aber das alles passt mal wieder in das Umfeld der Causa Özil und befeuert das Sommerloch, obwohl es im Land heiß genug ist.
Eine Frage sei noch erlaubt. Warum hat man den Diktattext angehenden Lehrerinnen und Lehrern und nicht Pädagogen mit langjähriger Berufserfahrung vorgelegt? Sind die Lehramtsanwärter beeinflussbarer, radikaler, wurde die Unerfahrenheit ausgenutzt oder gab es keine andere Klientel, die sich für solch eine unsinnige Studie zur Verfügung gestellt hat?
Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2Lvi5q8