Zur Berichterstattung über Kreml-Kritiker Das schreiben Leser dieser Zeitung zum Anschlag auf Nawalny

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Der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny wird nach seiner Vergiftung in Deutschland behandelt. © dpa

Zum Anschlag auf Nawalny:

Schon erstaunlich, dass die gleiche Bundesregierung, die die Wahlen in Belarus nicht anerkennt, da sie Betrug „vermutet“ und die Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet sieht, bei der Beurteilung der Causa Nawalny das eherne Grundprinzip „In Dubio pro Reo“ ignoriert und sich in Pawlowschem Reflex auf Russland/Putin als Täter festlegt. Wenn ich jedoch bedenke, wie sich die Bundeskanzlerin am 2. Mai 2011 freute, „dass es gelungen ist, Osama bin Laden zu töten“, nachdem dieser von Spezialeinheiten der Navy Seals ohne rechtsstaatlichen Prozess hingerichtet wurde, hat Doppelzüngigkeit schon ein Stück weit Tradition in diesem unserem Lande. (von Peter Grohmüller, Edingen-Neckarhausen)

Ziemlich schnell hat man bereits die Schuldigen ausgemacht. Sie sitzen natürlich im Kreml. Das alte Klischee funktioniert mal wieder wie geschmiert. Da ist auch Walter Serif mit seinem „MM“-Kommentar keine Ausnahme. Gerade die russische Regierung selbst dürfte aber kein Interesse an weiteren Sanktionen haben und daran, international an den Pranger gestellt zu werden. Belastbare Beweise werden weder von Berlin, der EU noch der NATO vorgelegt.

Nehmen wir mal an, die Erkenntnisse über das Gift stimmen, so sagt das noch nichts über die Täter oder ihre Auftraggeber aus. Bestände von Nervengas haben auch die NATO-Staaten oder Staaten, die früher der UdSSR angehörten. Aber schon tönt wieder der Ruf nach neuen Sanktionen und einige kalte Krieger fordern ungeachtet der Milliardenverluste für deutsche Firmen voreilig die Einstellung von Nord Stream 2. Interessant, dass sich gerade auch die Grünen dieser Forderung anschließen. Die realistische Alternative wäre der Bezug von überteuertem umweltschädlichem US-Fracking-Gas und eine Abhängigkeit Deutschlands von den USA. So machen sich die selbst ernannten Klimaschützer zum willigen Helfershelfer eines Donald Trump.

Die Russen haben sich seit den 1960ern als zuverlässige Vertragspartner bei Gaslieferungen erwiesen. Bei den USA sollte man sich da nicht so sicher sein. Eine weitere Verschärfung der Beziehungen zwischen der EU und Russland schadet auf jeden Fall Deutschland. Die Frage ist, wem nützt es? Wer hier in der Unterwelt der weltweiten Geheimdienste tatsächlich die Fäden zieht, werden wir wohl niemals erfahren. Zumindest bei denjenigen jenseits des Atlantik, die so vehement den Baustopp der Erdgasleitung fordern, könnte man ebenso ein Motiv sehen, denn schließlich geht es um Milliardengeschäfte mit Fracking-Gas. Beweise? Genauso wenig wie für eine mutmaßliche Beteiligung des Kreml. (von Peter Schoder, Mannheim)

Bei der ganzen Aufregung um die angebliche Vergiftung von Herrn Nawalny sollte man sich die Frage stellen, wem das Ganze nützt, statt wie Herr Serif und Herr Kolhoff aggressiv und einseitig Wladimir Putin zu beschuldigen. Man sollte sich doch ein paar Fragen bezüglich der offiziellen Vergiftungsversion stellen.

Warum sollte Herr Putin Herrn Nawalny nach Deutschland zur Behandlung ausfliegen lassen, wenn er doch für den Anschlag verantwortlich ist und erwarten muss, dass die Vergiftung auffliegt? Warum klappt die Vergiftung mit dem hochwirksamen Gift schon wieder nicht (siehe Skripal)? Kann man sich wirklich so dumm anstellen? Warum sollte er einen Streit mit Deutschland und Europa riskieren? Er hätte davon nur Nachteile. Warum findet das Bundeswehr-Labor den Stoff, während andere Stellen das nicht können?

Wenn man sieht, dass sich nun das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland noch einmal verschlechtert und die Gaspipeline durch die Ostsee eventuell nicht zu Ende gebaut wird – was den USA und anderen Ländern sehr entgegenkäme –, stellt sich doch die Frage, ob es nicht andere Verantwortliche für die angebliche Vergiftung Nawalnys gibt. Statt zu eskalieren, sollten gerade die deutschen Politiker ein Interesse an einem guten Verhältnis zu Russland haben und sich deshalb nicht an voreiligen Entschlüssen beteiligen. Das kann nur zu unserem Vorteil sein. (von Ludger Fest, Mannheim)

Man hat die Tage zählen können. Endlich ist man da, wo man von Anfang an hinwollte. Stimmung gegen Russland und am liebsten gleich gegen Putin selbst. Aus der Geschichte wissen zumindest einige, dass die USA vor nichts mehr Horror haben als vor einer Zusammenarbeit zwischen dem Technologie-Land BRD und dem Rohstoff-Land Russland. Das muss man wissen.

Zur Zeit gerät deshalb vor allem der Blick auf Nord Stream 2 ins Blickfeld. Es genügt ja nicht, dass das Projekt wegen Strafzöllen und Sanktionen durch die US-Regierung bereits stockt, nein, es soll gänzlich sabotiert werden. Ihr Journalist Walter Serif trommelt schon immer kräftig mit. Dass Putin selbst hinter dem Anschlag auf Nawalny stecke, ist schon gar keine Frage mehr. Mit leichter Hand wird dagegen ein Verdacht „gar gegen Trump“ vom Tisch gewischt. Die Geschichte lehrt im Hinblick auf die amerikanischen Geheimdienste etwas ganz anderes. Wie unfähig darf man sich denn den russischen Staatsterrorismus eigentlich vorstellen? Eine „Vergiftungsaktion“ auf einem Flugplatz mit entsprechender Öffentlichkeit? Ein deutsches Spezialflugzeug, das in Sibirien landen und das mit russischer Zustimmung das Opfer nach Berlin ausfliegen und untersuchen, gar implizit seine Gesundheit wieder herstellen darf – als gehe es um deutsches Hoheitsgebiet und einen deutschen Staatsbürger!? Von Aktionen unter „false flag“ hat Ihr Autor offenbar noch nie etwas gehört. Selbst das Wort Skepsis ist ihm offenbar im Zusammenhang mit der Weltpolitik fremd. Und offensichtlich am allerwenigsten im Zusammenhang mit US-Geheimdiensten.

Da reicht jedoch schon googeln, um eindeutig anders lautende Fakten zu finden. Das amerikanische Volk hatte schon mehrfach kein Interesse, in Kriege einzutreten, bis dann durch die Regierungen „emotionale Fakten“ geschaffen, sprich Lügen erfunden wurden. Darüber gibt es genug Bücher. Auch ich kenne die Wahrheit nicht, aber bestürzend ist immer wieder, wie leichtgläubig die Menschen sind. Die US-Regierung hat ein gewaltiges (!) wirtschaftliches und geopolitisches Interesse daran, Nord Stream 2 zu stoppen. Die gelenkte West-Welt-Öffentlichkeit hat man jetzt stimmungsmäßig da, wo man sie von Anfang an sehen wollte: In Treue zu den USA stehen und die Abhängigkeit von den USA zu erhalten – um jeden Preis und koste es Milliarden. (von Roland Weber, Mannheim)