Zur Wahl in Thüringen und zu dem Kommentar „Isch over“ vom 8. Februar:
Wieder einmal kann ich über einen Kommentar Walter Serifs nur den Kopf schütteln. Er übersieht wohl ganz bewusst, dass der angeblich „gestürzte“ Bodo Ramelow nicht aus dem Amt geputscht wurde, sondern er keine Mehrheit für seine angestrebte Regierungskoalition in Thüringen hat. Die CDU in Thüringen kann also auch nicht den Wählerwillen verraten haben.
Walter Serifs Angriff auf die angeblich so unfähige AKK spricht für erstaunliche Geschichtsvergessenheit. Die Linke ist die Nachfolgepartei der SED – der Partei, die sich heute in allen Medien als Garant von Demokratie und Grundrechten präsentiert, deren Basis aber immer noch aus einem stabilen Kern früherer SED-Mitglieder besteht. Die SED hat jahrzehntelang die Bevölkerung auch in Thüringen unterdrückt. Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich bei vielen Wählern Thüringens die Nackenhaare sträuben, dass CDU und/oder FDP nun ausgerechnet dieser SED-Nachfolgepartei zur Macht verhelfen sollen.
Davon konnte ganz offensichtlich auch Frau Kramp-Karrenbauer sie nicht überzeugen und Frau Merkel wäre es wohl auch nicht gelungen, mag nun Herr Ramelow ein respektvoller Mann sein oder nicht. Ob Frau Merkel mit der aus Südafrika erhobenen Forderung „dies sei ein Fehler und müsse rückgängig gemacht werden“ wirklich der Demokratie einen Dienst erwiesen hat, das ist noch eine weitere Frage. Es hat eine ordentliche Wahl im Landtag gegeben und die kann man nicht so einfach wegtricksen, auch wenn einem die mehr oder weniger offene Koalition mit der AfD nicht gefällt.
Ebenso demokratiefeindlich ist der Ruf nach Neuwahlen, denn es kann das Vertrauen in die Verbindlichkeit von Wahlergebnissen zerstören, wenn man so lange wählen lässt, bis einem das Ergebnis passt. Grundsätzlich ist es problematisch, auf Dauer die Stimmen von knapp einem Viertel der Bevölkerung einfach als unqualifiziert außer Acht zu lassen und deren politische Vertretung, die AfD, als Paria zu behandeln. Sollte diese Partei auf Dauer in dieser Höhe bei Wahlen abschließen, wird man sich irgendwie anders mit ihr auseinandersetzen müssen. Tun die CDU und die FDP dies nicht, lassen sie sich mit der befürchteten Gefahr eines aufkommenden Faschismus zu Geiseln der Linken machen. Daran ändert auch das Gezeter der Medien und die gewaltbereiten Demonstranten vor bürgerlichen Parteizentralen nichts.
Bodo Ramelow, prominentes Mitglied der Linken, wäre gern wieder Ministerpräsident in Thüringen geworden. Es lohnt sich, einen Blick in das programmatische Marschgepäck seiner Partei zu werfen. Einen sehr aufschlussreichen Einblick gewährte die Vorsitzende der Linken in Thüringen, Susanne Hennig-Wellsow. Sie repräsentiert die Partei hinter Ramelow. Auf dem Programmparteitag der Linken in Gera erklärte sie 2019: „Wir sind eine sozialistische Partei. Und das bedeutet, dass wir natürlich die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt stellen.“
Es reiche nicht, den Kapitalismus sozialer zu machen. „Nein, der Kapitalismus ist das Grundübel.“ Träumt die Partei noch immer vom Sozialismus, der ein ruiniertes Land hinterlassen hat, das mit dem Geld von Kapitalisten mühsam saniert werden musste? Sozialismus, das konnte man von kritischen DDR-Bürgern hören, bedeute „Ruinen schaffen ohne Waffen.“
Bodo Ramelow war so klug, die wahren Ziele seiner Partei nie an die große Glocke zu hängen. Eine renommierte Tageszeitung berichtete am 9. November 2019, der Spitzenkandidat Ramelow trete auf Plakaten bevorzugt ohne (!) Parteilogo und mit unverbindlichen Slogans auf: zum Beispiel „Willkommen in Thüringen“ oder „Wohin die Reise geht“. Über das wahre Ziel der „Reise“ sollte man sich nicht täuschen lassen: Seine Partei, so ist zu lesen, habe ihre Forderung nach einer anderen Gesellschaftsordnung, die sie auf demokratischem Wege erreichen will, nicht aufgegeben.
Hatten wir das nicht schon einmal in Deutschland? Steht eine Partei, welche die „Eigentumsfrage in den Mittelpunkt stellt“, den „Kapitalismus“ (und damit die soziale Marktwirtschaft) als „das Grundübel“ betrachtet und darüber hinaus „eine andere Gesellschaftsordnung“ anstrebt, überhaupt noch auf dem Boden des Grundgesetzes? „Wir sind eine sozialistische Partei“, sagte die Vorsitzende der Linken in Thüringen. Daher ist es kein Zufall, dass sich unter den Älteren der Partei auch einige ehemalige SED-Funktionäre befinden. Wer in einem so engen Glashaus sitzt wie Die Linke, der sollte in diesen Tagen besser nicht mit Steinen auf andere Parteien werfen; auch nicht mit einem Blumenstrauß. Der Blumenstrauß, den die thüringische Vorsitzende der Linken dem demokratisch gewählten Thomas Kemmerich von der FDP vor die Füße warf, war ganz bestimmt keine Geste einer gekränkten demokratischen Gesinnung.
Die Ablösung des linken Ministerpräsidenten Ramelow war ein Schock für das linke Spektrum aus Linken, Grünen und SPD. Man konnte und kann es offensichtlich nicht ertragen, dass man so etwas „tun“ kann. Fakt ist: Die AfD hat bei der letzten Landestagswahl nach den Linken (31 Prozent) nun mal als zweitstärkste Partei mit 23,4 Prozent (gewählt von rund 260 000 Bürgern) ein Ergebnis erreicht, was nun mal zu akzeptieren ist und wo die anderen Parteien eben nicht rankamen. (Grüne 5,2 Prozent, SPD 8,2 Prozent, CDU 21,7 Prozent und FDP fünf Prozent).
Ob es nun gerade optimal ist, dass eben die FDP mit ihren fünf Prozent den Ministerpräsidenten stellt; das sei dahingestellt. Aber das Ergebnis fiel so aus. Proteste – von den linken Meinungsmachern einschließlich der Medien – überall, so versucht man nun mit allen möglichen Tricks, Ramelow doch noch zu installieren. Er versucht nun, bei der CDU um Stimmen zu buhlen und obwohl die CDU sich immer von der Linken distanzierte, gibt es doch auch dort Leute, die einem solchen Deal nicht abgeneigt wären.
Thüringen wäre gut beraten, sich einen neutralen Ministerpräsidenten zu suchen und zu wählen. Wobei man sagen muss, lieber ein FDP-Mann an der Spitze als einer, der Mitglied der Folgepartei der SED ist, welche soviel und Unrecht und Verbrechen während ihrer Herrschaft begangen hat.
Nachdem die SPD es fertig gebracht hat, sich selbst an den Rand des Ruins zu bringen mit ihrer dümmlichen Kampagne zur Auswahl eines „strahlenden und erfolgversprechenden“ Führungsduos, ist nun die CDU auf dem besten Weg, die massive Selbstbeschädigung der Partei nachzumachen. Aber bei der CDU ist die eigentliche Ursache eine andere und niemand wagt es, dies auszusprechen. In der CDU ist die Ursache allen Übels die graue Eminenz, die mit unglaublicher Selbstverständlichkeit sich seit Jahren beliebige Fehler erlauben kann und diese für sie selbst folgenlos bleiben, da sie sich im Lauf der Jahre mit einer großen Schar von Epigonen umgeben hat, die aufgrund ihrer Abhängigkeit kaum eine Widerrede wagen.
Diese graue Eminenz, es ist die Kanzlerin selbst, bezeichnet ihre Handlungsweise ganz frech als alternativlos und erlaubt sich seit Jahren gigantische Fehler, die dem von ihr regierten Land Hunderte von Milliarden Schäden eingebracht haben und immer noch weiter einbringen werden, und niemand wagt es, offen gegen sie zu opponieren.
Was sie mit Annegret Kramp-Karrenbauer gemacht hat, ist aber schändlich ohnegleichen. Als in den letzten Jahren so langsam der Eindruck aufkam im Volk und wohl auch in der eigenen Partei, dass es vielleicht doch Zeit würde, mal langsam an ihren Abschied zu denken – keiner wagte natürlich zu sagen, dass sie genug Schäden angerichtet hat, zum Beispiel das Erstarken rechter Parteien in ganz Europa und insbesondere der AfD in Deutschland, die völlig aus dem Ruder gelaufene Energiewende, das Flüchtlingschaos, aber auch der Brexit. Probleme, für die sie eine ganz starke Verantwortung oder zumindest Mitverantwortung trägt – hat sie unter den Kandidaten diejenige ausgesucht und für ihre Wahl gesorgt, von der sie die geringsten Widerstände gegen die möglichst lange Fortsetzung ihrer eigenen Politik erwarten konnte.
AKK hat dann im Bestreben, möglichst viele widersprüchliche Forderungen zu erfüllen, zwangsläufig eine Reihe von dummen Fehlern gemacht, die aber letztlich weitgehend auf das Konto ihrer Chefin zurückgeführt werden können. Wenn Sie mal, wie verlangt, eigene Initiative zeigte, ging das in die Hose und wenn es ihrer Chefin besonders missfiel, bekam sie eins übergebraten. So kam sie zum Verteidigungsministerium, für das sie überhaupt keine Voraussetzungen mitbrachte und das die unangenehmste und undankbarste Aufgabe war, die man sich denken konnte. Da waren nur Ärger und entsprechende Prügel zu erwarten, keine Meriten. Diese Strafart hatte auch schon bei Ursula von der Leyen ganz prima funktioniert, als sie „zu groß“ wurde. Jetzt wird auch noch die Hauptschuld für das Thüringen-Chaos auf ihr abgeladen. Ihr inzwischen schlechtes Image hat AKK also eigentlich nur ihrer Chefin zu verdanken, die bei Problemen außen vor bleibt und weiterhin das vor einigen Jahren ihr von den Medien zugeschriebene Bild als mächtigste Politikerin der Welt pflegt. Daher: Hut ab vor AKK, die jetzt endlich das Profil zeigt, das man eigentlich von ihr erwartet hatte und die sich jetzt entschlossen hat, diese unwürdige Rolle zu beenden.
Nein, Herr König. In unserer Demokratie geht es nicht nur um formales Abstimmungsverhalten. Zu Demokratie gehört mehr – nämlich Verantwortung. Es geht nicht darum, sich auf-Teufel-komm-raus-Mehrheiten zu verschaffen, um sich selbst in eine Machtposition zu bringen. Wohin das führt, haben wir in Deutschland im Januar 1933 gesehen. Auch die NSDAP kam nicht durch einen Putsch und schon gar nicht durch eine absolute Mehrheit an die Macht. Gerade in Thüringen ist überdeutlich, welche „Werte“ die AfD vertritt. FDP und CDU müssen Konsequenzen ziehen.
Die AfD auszugrenzen, funktioniert nicht – das haben wir in Österreich jahrelang mit der FPÖ probiert. Mit dem Ergebnis, dass die FPÖ bei jeder Wahl dazugewonnen hat. Die AfD gehört sofort in Regierungsverantwortung genommen, denn da zerreißt’s die rechten Recken (immer), wie man bei uns in Österreich seit Jahrzehnten sehen kann.
„Warum denn?“ „Na und?“ Mit diesen platten Aussagen wird Herr König als Experte Ihrer Zeitung ausgewiesen! Das ist einer der flachsten, ja geradezu gefährlichsten, Interviews seit langem. Er tut so, als sei der FDP-ler Kemmerich „demokratisch“ gewählt worden, obwohl er von Faschisten (Bernd Höcke) mitgewählt wurde.
Dieser Rechtsruck im Rahmen der Rechtsentwicklung der bürgerlichen Parteien ist der Übergang zur bisher stets abgelehnten offenen Zusammenarbeit mit der rassistischen und faschistoiden AfD. Bisher war es noch gängige Regel, dass die bürgerlichen Parteien sich von einer Zusammenarbeit mit der AfD distanzierten.
Nun zeigt sich das Gegenteil und anstatt Entsetzen zu demonstrieren, tut Herr König so, als sei das alles normal, „demokratisch“ eben. Damit wird der AfD als Wegbereiter des Faschismus die Möglichkeit gegeben, hoffähig zu werden („die AfD möchte jedoch irgendwann auch mitregieren…“) – lapidar und wie selbstverständlich findet der Experte König das! Man kann nur schockiert sagen: wehret den Anfängen!
Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2HwmQvi