Der Don Quichotte aus München

Lesedauer
Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat sorgt mit seinen Alleingängen wiederholt für Spannungen in der Regierung. © dpa

Alle Beiträge auf dieser Seite sind zum Thema Asylpolitik:

Der CDU-CSU Streit. Eine bayrische Posse (Die Münchner Stadtmusikanten Seehofer, Söder, Dobrindt und Scheuer, die auszogen, die Kanzlerin in Berlin das Fürchten zu lehren.)

Seehofer: „Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen“. Aber hatte nicht auch Walter Ulbricht gesagt: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, um diese dann kurze Zeit später zu bauen? Seehofer greift Merkel zunächst mit bayrisch-derben Verbalattacken an. Er droht Merkel mit einer Verfassungsklage, er bezeichnet die merkel’sche Politik als „Herrschaft des Unrechts“, er schulmeistert die Kanzlerin vor der deutschen Öffentlichkeit. Doch Merkel hält still und schweigt.

Bayern brauchte ihn nicht mehr

Aufgeschreckt durch den massiven Absturz der Union bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr, sieht Seehofer seine Felle und die der CSU davonschwimmen. Die Übernahme Bayerns durch die AfD bei der kommenden Landtagswahl – das ist der seehofer’sche Alptraum, der ihn jede Nacht in Schweiß baden lässt. Die Ursache des Übels, das ist Merkel mit ihrer Grenzöffnung und ihrer Asylpolitik, mit der sie quasi der AfD erst zum Leben verholfen hat.

Um den alten Zustand seines geliebten Bayern wiederherzustellen, muss Seehofer die Ursache seines Alptraums beseitigen, die Kanzlerin stürzen. Als Ministerpräsident im Land der Bayern, im Land seiner CSU stellte Seehofer etwas dar. Er schöpfte täglich Kraft aus „seinem“ Bayern, das er geschaffen hatte; er glaubte wenigstens, dass es so sei.

Umso härter traf es ihn, sein Amt an den „schmutzelnden“ Söder abgeben zu müssen. Er musste gehen. Sein Bayern und seine CSU brauchten ihn nicht mehr. Ein Schock! Der entwurzelte und heimatlose Bayer Seehofer irrte nun, Asyl suchend, nach Berlin. Ironie des Schicksals, in der Fremde wurde er Heimat-Minister.

Seehofers Hemmschwelle sank

Trotz des furchtbaren Schmerzes über den Verlust seines Amtes und seines Bayern verlor er sein Ziel, Merkel zu stürzen, nicht aus den Augen. Im Gegenteil. Die Hemmschwelle gegenüber Merkel sank. Er stürzte sich in die Arbeit. „Ich kündige nicht nur an, nein, ich liefere auch.“ Man hätte meinen können, die Bundesrepublik sei CSU-Land geworden. Alles drehte sich um Bundesinnenminister Seehofer und seine CSU. Die CDU schwieg. Das Schweigen der CDU war so laut, als gäbe es sie gar nicht mehr.

Es folgte der Asyl-Masterplan, Seehofers Meisterstück. Er sollte der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der Termin für den großen Auftritt des CSU-Granden war schon festgelegt. Doch leider gab es immer noch die Frau Merkel. Der Masterplan zählte insgesamt 63 Punkte. Mit 62 Punkten ist die Bundeskanzlerin einverstanden, aber der 63te, der geht gar nicht. Sein Masterplan, sein Meisterwerk soll fehlerhaft sein? Wer wagt es, ihm, dem „König von Bayern“, zu widersprechen? Die Bundeskanzlerin! Welche Demütigung für Seehofer, den groß angekündigten Presseauftritt absagen zu müssen.

Frau Merkel ist, wenn es um Macht geht, eben eine Meisterin des Florettfechtens. Urplötzlich hat sie dem Störenfried aus München einen Hieb versetzt. Zu dem Schmerz über den Verlust „seines“ Amtes und der Tatsache, im Exil leben zu müssen, gesellt sich nun auch noch verletzte Eitelkeit.

Die Merkmale Rechthaberei und Selbstüberschätzung ergänzen den wüsten seehofer’schen Gefühlscocktail. Macht nichts! Das Ziel, Merkel zu stürzen, muss erreicht werden. Seehofer, waidwund, wird diabolisch von Söder angefeuert.

Er, Seehofer, könne allein kraft seines Amtes als Bundesinnenminister, auch ohne Bundesregierung, die Zurückweisungen an der Grenze vornehmen. Seehofer merkt gar nicht, dass er von hinten gehetzt mit Hochgeschwindigkeit auf eine Betonwand zufährt – seine Entlassung durch die Bundeskanzlerin. „Lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ – „Kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.“

Auch Seehofer dämmert es nach einer Weile, in welche Situation er sich verrannt hat. Um nicht endgültig nutzlos im Politmuseum für Senioren zu enden, baut er eine Zwickmühle auf: Er droht nicht nur mit dem Rücktritt als Bundesinnenminister, sondern auch mit dem Rücktritt als Parteivorsitzender der CSU.

Angst um ihre Pfründe

Jetzt bekommen die Helfershelfer und Büchsenspanner in der CSU Angst um ihre Pfründe. Wenn Seehofer von beiden Ämtern zurücktritt, ist die Wahl in Bayern gelaufen. Sie flehen Seehofer an, zu bleiben. Söder lenkt ein, auch Dobrindt schaltet einen Gang zurück. Der Auseinanderfall der CDU-CSU-Fraktionsgemeinschaft wird mit einem „Kompromiss“ verhindert. Seehofer bleibt im Amt. Und die Moral von der Geschicht’? Seehofer darf weiter unter Aufsicht von Frau Merkel im Land irrlichternd umherirren.

Die Fortsetzung des Rosenkrieges Merkel gegen Seehofer folgt demnächst in diesem Theater. Wenn die Wahl im Oktober in Bayern schiefgeht, „Kruzifix Söder“ hat bereits zwei Sündenböcke. Seehofer, die tragische Gestalt, der Don Quichotte aus München, und Merkel.

Info: Originalartikel unter https://bit.ly/2NNkSIK