Fragwürdiges Geschichtsbild

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Eine Skulptur des Bildhauers Peter Lenk aus Bodman wurde am 12. November auf dem Schwetzinger Schlossplatz enthüllt. Es zeigt den Kurfürsten Carl Theodor mit einer Schönheit auf einem Schwein reitend. Beide sind leicht bekleidet. Das Werk trägt den Titel "Glücksschwein von Schwetzingen".

© Lenhardt

Zum Artikel "Große Begeisterung über Glücksschwein" vom 12. November:

Ein Bürgermeister, der von Steuergeldern ein Kunstwerk kauft und im öffentlichen Raum aufstellt, sollte doch etwas nachdenken, bevor er Dinge in Auftrag gibt, die letztendlich nicht von ihm, sondern von den Bürgern, die ihn gewählt haben, bezahlt werden müssen. Mit diesem Denkmal wird nämlich den Kurpfälzern ein Geschichtsbild aufgedrückt, das doch etwas fragwürdig ist. Zunächst tut sich die Frage auf, was wäre Schwetzingen ohne Carl Theodor? Na sehen Sie!

Die nächste Frage, die sich stellt, ist natürlich die nach der Erotik. Die spielte sicherlich im Rokoko eine ziemlich bedeutende Rolle. Erotik wurde in Schwetzingen und der Kurpfalz, wie man aus unterschiedlichen Quellen weiß, durchaus auch ausgekostet. Aber dass man dabei auf Schweinen durch die Gegend geritten wäre, habe ich noch nicht gehört. Das passt viel mehr in die Phantasie jenes Preußenkönigs, der hier offenbar bei der Gestaltung vom Künstler Peter Lenk als Kronzeuge gegen Carl Theodor aufgerufen wird. Dabei handelte es sich um Friedrich II. Und der hat wirklich nicht gut Lachen, denn dieser Friedrich II. war, verglichen mit Carl Theodor, um im Bild zu bleiben, eine ziemlich arme Sau.

Man kann sogar Mitleid mit Friedrich haben, denn sein enger Freund, Hans Hermann von Katte, wurde geköpft und Friedrich musste bei dieser Hinrichtung auf Befehl des Vaters zusehen. Man hat ihm dabei den Kopf gegen die Gitterstäbe seiner Zelle gedrückt. Später tat sich dieser Friedrich selbst als Menschenschlächter hervor. Allein die Schlacht bei Kunersdorf im Siebenjährigen Krieg forderte mehr als 20 000 Menschenleben. Die Verstümmelten und an den Kriegsfolgen Gestorbenen gar nicht eingerechnet. Es ging um Preußens Gloria, die sich jetzt offenbar auch Schwetzingen zum Vorbild nimmt.

Das war zu Carl Theodors Zeit anders. Der pfälzische Kurfürst verfolgte solche Machtbestrebungen nicht, was ihm in den Augen des Preußenkönigs und offenbar auch in denen des Künstlers und des Schwetzinger Bürgermeisters zum Nachteil gereicht. Doch liegt meines Erachtens das große Verdienst Carl Theodors darin, die Kurpfalz, die in zwei großen Kriegen im Jahrhundert davor mehrfach völlig zerstört worden war, aus diesen furchtbaren Menschenschlächtereien des 18. Jahrhunderts herauszuhalten. Das kann man Carl Theodor wahrscheinlich gar nicht hoch genug anrechnen. Der Preußenkönig sah das natürlich anders und nannte Carl Theodor deswegen faul. Carl Theodor hat nämlich relativ wenige Landeskinder über die Klinge springen lassen, sie vielmehr für den Schlossbau verwendet, was aus heutiger Sicht sehr viel nachhaltiger war.

Hinzu kommt noch, dass Carl Theodor seine Mätressen gut behandelte. Er baute ihnen sogar Palais. Davon zeugt auch heute noch das Palais Bretzenheim vor dem Mannheimer Schloss, das Josefa Seifert und ihren Kindern gehörte. Den männlichen Spross aus dieser Familie, Graf Karl August von Bretzenheim, wollte Carl Theodor übrigens zu seinem Nachfolger machen, was damals misslang. (Helmut Orpel, Mannheim)

Ich dachte bisher, die Kurpfälzer in Mannheim und Schwetzingen seien auch heute noch stolz auf ihren Kurfürsten Carl Theodor. Meiner Meinung nach bringt dieses neue "Kunst-Machwerk" des Bodmaners Peter Lenk, das vom Schwetzinger Gemeinderat abgesegnet worden ist, dieser Stadt nur kurzfristig Aufmerksamkeit, zeigt aber für Schwetzingen und seine wunderschöne Schlossanlage langfristig keine positiven Aspekte. Die Skulptur macht die geschichtliche Figur Carl Theodor nur lächerlich. Unberechtigterweise. (Rainer Zickler, Mannheim)

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