Leserbrief: Zu "Joschka Fischers Erbe in der CSU" (FN 18. April) Grüne Gentechnik ist keine Zukunftstechnologie

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Die Meinung des Redaktionsmitglieds Michael Roth möge man zunächst teilen oder nicht. Eine persönliche Meinung gehört aber nicht in den Berichtteil einer seriösen Zeitung. Ich habe jedenfalls gelernt, dass dafür die Sparte "Kommentare"(oder auch "Leserbriefe") mit klarer Ausweisung vorgesehen ist, wenn nicht der Verdacht einer Agitation aufkommen soll.

Zum sachlichen Vortrag des Herrn Roth: In der GegenGen-Bewegung gibt es eine klare Differenzierung zwischen medizinischer Anwendung in isolierten Labors und der großflächigen Freisetzung von GVO im Rahmen der grünen Gentechnik. Wenn die Gentechnikindustrie partout nicht in der Lage ist, dies nachzuvollziehen, so braucht es nicht verwundern, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass es eher um Macht- und Profitinteressen geht.

Die Chancen der grünen Gentechnik, von denen Herr Roth schreibt, haben sich bisher in keinem einzigen Produkt auch nur annähernd bestätigt! GVO-Sorten liegen um 10 bis 30 Prozent hinter den Erträgen vergleichbarer konventioneller Sorten. Und sind es vielleicht "irrationale Ängste", die indische Bauern in den Selbstmord treiben, weil sich die Versprechungen der Saatgutkonzerne nicht realisieren, sie auf ihren Schulden sitzen bleiben und kein eigenständiges Saatgut mehr besitzen, um sich und ihre Familien zu ernähren?

Die Aussicht, dass weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen, realisiert sich bestenfalls in den ersten zwei bis drei Generationen, dann sind sogar mehr und stärkere Mittel nötig. Kälte- und Trockenheitsresistenzen gibt es keine, da ist konventionelle Züchtung wesentlich erfolgreicher und billiger, Ersparnis von Düngemitteln durch GVO ist ein Märchen! Die Befürchtungen allerdings, dass Koexistenz auf Dauer nicht möglich ist und vielerlei unkalkulierbare Risiken bestehen, bestätigen sich in dem Maße wie darauf (industrieunabhängig) geschaut wird.

Der Hunger in der Welt ist kein Problem zu geringer Nahrungsmittelmenge, sondern ein (politisches) Verteilungsproblem. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die zeigen, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion sogar ökologisch erfolgen könnte, ohne mit Versorgungsengpässen rechnen zu müssen.

In den Vorstandsetagen der GVO-Saatguthersteller ist es kein Geheimnis, dass die grüne Gentechnik einen Irrweg darstellt, weil zu teuer, zu unzuverlässig und nicht vermittelbar! Es geht nur noch darum, Deckungsbeiträge für die enormen Investitionen ein zu fahren. Da in Europa der Widerstand wächst, orientieren sich die Konzerne nach Südasien (deshalb die "Vatikan-Kampagne", die dortige Bevölkerung ist überwiegend christlich). In Amerika wendet man sich zunehmend von der Gentechnik ab, weil die Versprechungen nicht zu halten sind und dies erkannt wird.

Die einzige Zukunft der grünen Gentechnik liegt im so genannten "smart breeding": Es werden keine artübergreifende Organismen gebastelt, sondern die Zuchtauswahl erfolgt über Genomanalysen innerhalb der Arten (deshalb das große Interesse der Konzerne an Patenten auf Gensequenzen). Dazu mag man stehen wie man will.

Jedenfalls ist die grüne Gentechnik alles andere als eine Zukunftstechnologie, auch wenn einfältige Politiker und Journalisten dies (noch) nicht begriffen haben.

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