Leserbrief - Zu „Es ist alles nur noch eine Frage der Zeit“ (FN, 2. Oktober) „In Deutschland wird Beachtliches geleistet“

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Sehr geehrte Frau Baum. Flüchtlinge, egal welcher Religion, sind Menschen – das scheint in der rechtsnationalen Dynamik schwer begreiflich zu sein. Dass nach 450 000 Untergetauchten „gefahndet“ werden müsse, suggeriert, dass es sich um Verbrecher handele.

Können Sie sich mit Ihrer zahnärztlichen Karriere vom Thüringen der DDR nach Gerlachsheim denn gar nicht mehr hineinversetzen in den Wunsch nach einem besseren Leben. Wenn man von Krieg und Gewalt verfolgt wurde? Sollen wir „Deutschen“ nun statistisch jeden 160. Menschen auf der Straße, wenn er nach Migration aussieht, als potenziellen Verbrecher beobachten und verfolgen? Ist das nicht ein System, aus dem Sie in den 1980ern ausreisen wollten? Hatten wir das nicht schon ähnlich vor 80 Jahren? Sehen nicht Sie die Welt in alter ideologischer Prägung?

Fahnden Sie auch nach denen, die auf rechtsnationalen Kundgebungen skandieren, dass man die Flüchtlinge im Mittelmeer, „absaufen“ lassen soll? Sind wir Deutschen im Vergleich mit den Migranten die „besseren“ Menschen, wenn wir nicht aufstehen gegen das Elend der Flüchtlinge und gegen solches menschenverachtende Geschrei? Sie zitieren das Zitat über eine Harvard-Studie mit Angst schürenden Zahlen zur Islamisierung, die in der rechtsnationalen Presse verbreitet wird, doch kann ich die Quelle nicht finden. Ist das nicht auch „Lügenpresse“?

Es ist nicht „alles nur eine Frage der Zeit“. In Deutschland wird in einem demokratisch-rechtsstaatlichen Prozess ganz aktiv Beachtliches im Umgang mit der Fluchtwelle geleistet. Auf dieser Realität gründet mein Stolz, eine Deutsche zu sein.

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