Zu den Artikeln „,Neues Hambacher Fest’ entfacht Streit“ vom 21. April und „Warum müssen wir um unsere Nationalsymbole kämpfen, Herr Münkler?“ vom 28. April:
Es ist gut, dass Ihre Zeitung über das sogenannte Neue Hambacher Fest (NHF) umfangreich berichtet hat, denn die Ziele, die der Veranstalter verbindet, erschließen sich nicht ohne Weiteres. Es sei eine „private Veranstaltung“ und „überparteilich“ heißt es auf der Website zum NHF.
Man kann zunächst den Eindruck gewinnen, dass das NHF eine Veranstaltung für die geldanlegenden Kunden von Max Ottes Institut für Vermögensentwicklung ist, denn die Website ist durchtränkt von Werbung für seinen „Börsenbrief“ und seine Investmentfirma. Die Kunden Ottes erhalten auch für sie extra reservierte Karten für das NHF zum Sonderpreis. Doch darum geht es wohl nicht in erster Linie.
Otte knüpft am 1832er Fest an, weil er heute den „Korridor der Meinungen“ eingeschränkt sieht. Egal welche Meinungen er für eingeschränkt hält – man kann annehmen, seine eigene –, man muss einem gewaltigen Realitätsverlust unterliegen, wenn man die politische Zensur der Metternischen 1830er Jahre mit heute auch nur in Ansätzen vergleicht oder gar gleichsetzt.
Sucht man bei einer bekannten Internet-Suchmaschine nach „Max Otte“, so liefert diese fast 3,5 Millionen Suchtreffer, davon je 50 000 Verweise auf seine Bücher beziehungsweise Videos, in denen er auftritt, darunter viele aus den öffentlich-rechtlichen Medien. Zensur? Das fragwürdige Geschichtsverständnis Ottes kommt aber auch darin zum Ausdruck, wenn er nicht nur das Hambacher Fest von 1832 zu einer „Geburtsstunde der Demokratie“ rechnet, sondern auch das altteutonische, vom Antisemitismus durchtränkte und von einem „närrisch-widerlichen Franzosenhass“ (Golo Mann) geprägte Burschenschaftsfest auf der Wartburg 1817 (siehe das Interview auf Youtube vom 7. März 2018).
Bezeichnenderweise zählt er nicht zu den „Geburtsstunden der Demokratie“ die Revolutionen von 1848/49, die Revolution von 1918, den durch die Alliierten eingeleiteten demokratischen Neuanfang 1945 bis 1948 sowie die demokratische Revolution in der DDR von 1989. Ihr Kommentator Manfred Loimeier hat natürlich recht mit seinem Plädoyer für Toleranz und Meinungsvielfalt. Wer mag da widersprechen?
Aber macht er es sich nicht etwas zu leicht, wenn er nahelegt, dass man ja noch gar nicht wissen könne, was da alles von den prominenten Referenten gesagt würde? Stehen die Referenten nicht für ganz bestimmte Inhalte und eine Strategie des Brückenschlags zwischen rechts-konservativer CDU/CSU – Otte ist Mitglied der CDU und ihrer Werte Union und gleichzeitig bekennender Wähler der AfD – und AfD, vertreten auf dem NHF durch ihren Ko-Vorsitzenden Meuthen? (Ulrich Riehm, Mannheim)
Geschichtlich betrachtet hat Professor Münkler insofern mit seiner Analyse Recht, dass es den liberalen Bürgern und Studenten bei der Demonstration am Hambacher Schloss 1832 um den Protest für ein demokratisches und geeintes Deutschland ging – was die Fürsten der deutschen Staaten und Preußen verhindern wollten. Die politisch Konservativen waren damals auf der Seite der Fürsten.
Herr Münkler zieht jedoch zu wenig in Betracht, dass sich in den Jahrzehnten der Bundesrepublik seit 1949 ein rechter Konservativismus christlich-katholischer oder nationalkonservativer Prägung herausgebildet hat, der zur demokratischen Kultur dazugehört und dessen Gallionsfiguren wie zum Beispiel Franz Josef Strauß, Alfred Dregger oder Erika Steinbach entscheidend auch die Politik mitbestimmten. Während CDU und CSU unter Strauß die Konservativen erfolgreich integrieren konnten, kann die seit den späten Jahren der Ära Kohl und vor allem unter Merkel immer weiter nach links gerückte CDU das heute nicht mehr.
Die Konservativen suchen eine neue politische Heimat, früher zeitweise bei den Republikanern, heute bei der AfD. Trotzdem sollte die Stimme der rechten Konservativen in der Politik weiter gehört werden, ohne sie pauschal und undifferenziert mit Rechtsextremisten in einen Topf zu werfen.
Übrigens, auch die SPD hat einen konservativen und gewerkschaftsnahen Flügel, auf den sie sich wieder mehr besinnen sollte. Man denke an Helmut Schmidt und Peter Glotz, der Sudetendeutscher war. Das zeigt, dass konservatives Denken nicht allein Sache der demokratischen Rechten ist. Warum sollen rechte Konservative nicht an den Tag des Hambacher Festes erinnern dürfen? Vorausgesetzt, ihnen geht es um den wirklichen Geist, der damaligen Demonstration. Die Vertreter anderer Parteien erinnern doch zu oft an die Gedenktage, die in der deutschen Geschichte emotional eher negativ besetzt sind.
Vertreter aller demokratischen Parteien sollten positiv besetzte Gedenktage, wie zum Beispiel den Tag der Gründung der Bundesrepublik oder den Tag der Gründung der Bundeswehr mehr in das politische Bewusstsein bringen, um die demokratische und nationale politische Identität in Deutschland weiter zu stärken. Mit dem Tag der Deutschen Einheit, der mit einem Fest jedes Jahr in einem jeweils anderen Bundesland begangen wird, geschieht das ja auch schon in positiver Weise.
Auch den 17. Juni 1953, den Tag des Arbeiteraufstandes gegen die SED-Diktatur, hätte ich trotz der deutschen Wiedervereinigung als Gedenktag beibehalten, weil er wie der 20. Juli 1944 (Attentat auf Hitler) deutlich macht, dass sich die Bundesrepublik gegen politische Tendenzen wendet, die rechten oder linken Radikalen Vorschub leisten wollen. (Robert Schnörr, Mannheim)
Nun hat eine Gruppe politisch, sozial und wirtschaftlich engagierter Bürger das Hambacher Schloss für eine Veranstaltung ausgewählt, in der es um unsere Werte, Politik, Meinungsfreiheit, aber auch um politische Rechtsbrüche geht. Ein gravierender Rechtsbruch war die Öffnung der Grenzen im September 2015. Udo di Fabio, vormals Richter am Bundesverfassungsgericht, hat nach juristischer Prüfung erklärt, dass die Bundesregierung dadurch Verfassungsrecht gebrochen hat.
Nun gibt es diese Gruppe kritischer Mitbürger – Politiker, Ökonomen –, die in Sorge um unser Land nicht mehr bereit sind, all diese (Fehl-)Entscheidungen als alternativlos hinzunehmen. Sie organisieren eine Veranstaltung und wählen als Ort das Hambacher Schloss – die Wiege der deutschen Demokratie.
Herr Münkler kritisiert dieses Vorgehen scharf. Und er schreibt, man habe das Hambacher Schloss „als Kulisse gekapert“. Aber hat nicht die Veranstaltung von Bürgern, die Rechtsstaatlichkeit anmahnen und nicht alles als alternativlos hinnehmen wollen, gerade mit Demokratie zu tun?
Was mich im Beitrag von Herrn Münkler besonders negativ berührt, ist die Tatsache, wie er Andersdenkende ins Lächerliche zieht. Man kann immer anderer Meinung sein, aber von einem Professor für Politikwissenschaft hätte ich mehr Achtung und Toleranz gegenüber Andersdenkenden erwartet. (Gaby Gehring, Schwetzingen)