Land- und Forstwirtschaft maßgeblich für Klimawandel

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Zum Interview mit Forstamtsleiter Dieter Hellmann „Menschen müssen sich ändern“ vom 23. August:

Forstamtsleiter Dietmar Hellmann hat Recht: Die Wälder dieser Erde sind überlebenswichtig. Aktuell sinkt der globale CO2-Ausstoß keineswegs, sondern steigt sogar wieder an. Dabei müssten die weltweiten Emissionen laut dem „Weltklimarat“ bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2010 um 45 Prozent zurückgehen, nur so ließe sich die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Und spätestens bis 2050 müsste die CO2-Bilanz bei null liegen.

Realistisch wäre das nur, wenn nachträglich CO2 wieder aus der Luft entfernt werden könnte, etwa durch eine drastische, globale Aufforstung und/oder technische Lösungen, allerdings sind letztere derzeit in keiner Weise absehbar.

Zwei Drittel Emissionen sparen

Bleiben die Wälder: Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich weist nach, dass das 1,5 Grad-Ziel durch eine massive Aufforstung durchaus erreichbar wäre. Laut der ETH könnten bis zu einer Milliarde Hektar Land mit Bäumen bepflanzt werden. Bei der Berechnung wurden Städte und landwirtschaftliche Flächen bewusst ausgespart, geplant wurde nur mit ehemals intakten, aber heute zerstörten Ökosystemen.

Bäume in diesem Ausmaß zu pflanzen, habe das Potenzial, zwei Drittel (!) der bislang von Menschen verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen aufzunehmen. „Wir müssten aber schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen“, so die Forscher.

Viel Lob kommt dafür aus der Fachwelt: „Die Studie setzt neue methodische Standards, weil sie das Potenzial der Aufforstung“ verdeutliche, sagt etwa Felix Creutzig vom „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ in Berlin. Aber er betont auch: „Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein“, etwa neben einem Umbau der Landwirtschaft sowie des Energie- und Transportsektors und einer drastische Reduzierung des Fleischkonsums.

Gerade die Landwirtschaft und hier im Besonderen die Viehwirtschaft als größtes Problem, das die Menschheit anpacken müsste, spricht Forstamtsleiter Dietmar Hellmann jedoch nicht an. Das ist unredlich und äußerst befremdlich: Denn deutlicher als je zuvor betont der aktuelle Bericht des Weltklimarates aus 08/2019 nach Auswertung von mehr als 7000 (!) Studien die maßgebliche Rolle der Land- und Forstwirtschaft für den Klimawandel.

Klimafreundliche Ernährung

Wer dazu beitragen möchte, eine der verheerendsten Heißzeiten dieser Erde seit der Entstehung des Lebens noch abzuwenden, kann mit einer klimafreundlichen Ernährung, die auch den Hunger in der Welt bekämpft, mehr bewirken als mit jeder anderen Maßnahme. Die „Tierindustrie“ verursacht mit all ihren Prozessen und Begleiterscheinungen mindestens 51 Prozent aller klimaschädlichen Treibhausgase und beansprucht 70 Prozent aller Weide- und Ackerflächen der Erde. Würde die Menschheit sich pflanzlicher ernähren, könnten mindestens drei bis vier Milliarden Menschen mehr ernährt werden.

Ebenso ist laut der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno) rund ein Drittel des Arten- und Lebensraumschwunds auf die Tierhaltung zurückzuführen. Der IPBES-Bericht der Uno warnt außerdem vor einer „unmittelbar bevorstehenden extremen Beschleunigung“ des ohnehin schon bedrohlichen, weltweiten Massensterbens. Bis zu einer Million (!) Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht – und das bereits in den kommenden Jahrzehnten! „Mit einer anderen Ernährung könnten bis zu 2050 Millionen Quadratkilometer Landfläche frei werden“, betont der Weltklimarat und ruft damit die „Alarmstufe Rot“ für unsere Landnutzung aus.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2mi1ZET