Leser zu den Reaktionen auf den Bürgermeister-Besuch

Lesedauer
Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (vorne links) und sein Amtskollege aus Hebron, Taysir Abu Sneineh (vorne rechts). In der hinteren Reihe (v.l.): Stadtrat Bernd Kupfer (CDU), Christian Sommer, Geschäftsführer mg:gmbh, Stefan Wilhelmy, Leiter der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, Jumana Dweik, Leiterin des Gründerförderzentrums in Hebron, Stadtrat Dirk Grunert (Die Grünen). © Stadt

Zu den Leserbriefen „Kritik an Bürgermeister-Treffen“ vom 17. August:

Manfred Stiegel, Brühl:

Von einem Palästinenser namens Sneineh wird berichtet, er habe am 2. Mai 1980 an einem Terroranschlag auf israelische Siedler mitgewirkt. Dabei starben sechs Menschen. Dafür wurde von einem israelischen Gericht 1982 gegen ihn eine lebenslange Haftstrafe verhängt, aus der er aufgrund eines Gefangenenaustauschs wieder frei kam. Jahre später wurde er in einer demokratischen Wahl von den Bürgern Hebrons zum Bürgermeister gewählt. Und jetzt gibt es in Mannheim und in der Region so etwas wie einen Zwergenaufstand. Diesem Menschen (Sneineh) dürfe man nicht hofieren, ihm nicht die Hand reichen. Ach so? Na dann schauen wir uns mal einige wenige israelische Ehrenmänner an, wir werden staunen:

1. Menachem Begin (Premierminister Israels 1977-1983) war 1946 verantwortlich für den Sprengstoffanschlag auf das King David Hotel in Jerusalem, bei dem 91 Menschen ums Leben kamen. Unter seinem Befehl wurden zur damaligen Zeit zwei britische Soldaten (Clifford Martin und Mervyn Paice) entführt und gehängt. Selbst David Ben Gurion, Israels großer alter Mann und Freund Adenauers, verglich Begin mit Adolf Hitler. 1952 war Begin Drahtzieher eines Bombenanschlags (27. März) auf den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer, bei dem ein Feuerwehrmann ums Leben kam, dies bei der Entschärfung der Bombe.

2. Ariel Scharon (Premierminister Israels 2001-2006), den man ungestraft „Schlächter“ nennen durfte, entging einem Korruptionsprozess nur aufgrund seiner langjährigen Koma-Erkrankung und seines nachfolgenden Todes.

3. Ehud Olmert (Premierminister Israels 2006-2009) wurde am 29. Dezember 2015 zu einer achtzehnmonatigen Haftstrafe verurteilt, wegen Untreue und Korruption.

4. Mosche Katzar (Präsident Israels 2000-2007) wurde am 11. November 2011 wegen Vergewaltigung einer seiner Angestellten in zwei Fällen und der sexuellen Belästigung in weiteren Fällen, sowie der Behinderung der Justiz, zu sieben Jahren Haft und zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

5. Die Ehefrau des jetzigen Premiers Benjamin Netanjahu steht wegen Untreue und Unterschlagung von Staatsgeldern vor Gericht.

Das sind also einige wenige Beispiele hochrangiger Politiker aus Israel, die auch von Mannheimern hoch verehrt und geehrt wurden. Das sollen Israelis gewesen sein, die man hofieren durfte, auf die Lobeshymnen gesungen wurden?

Liebe Frau Marhöfer, in Ihrem Leserbrief schreiben Sie auch, dass „die überaus großzügige Finanzierung palästinensischer Projekte durch die europäischen Länder erreichte und erreicht meist nicht ihre Ziele...“ Dies ist zweifellos richtig! Wie viel neugebaute Krankenhäuser, E-Werke, Wasserwerke, Schulen, Kindergarten und so weiter wurden von der israelischen Armee sinnlos zerstört? Das waren alles Projekte, die von der EU, von deutschen Steuergeldern und deutschen Spenden realisiert wurden. Ein Wiederaufbau ist weitgehend unmöglich, weil Israel die Geldzufuhr aus dem Ausland blockiert hat!

Und um das Thema Raketenangriffe auch gleich abzuhaken: Beide Seiten greifen mit Raketen und Kampfflugzeugen – hauptsächlich die Zivilbevölkerung – an. Das ist Völkermord und muss geahndet werden! Allerdings gibt es doch einen Unterschied: Die Raketen der Palästinenser sind (noch) Marke Eigenbau und haben die Treffsicherheit von Neujahrsraketen. Zum Bedauern gab es einige israelische Tote, meist allerdings Verletzte. Die größere Anzahl dieser selbstgebastelten Raketen schlagen auf dem freien Feld ein. Die Gegenschläge der Israelis fordern grundsätzlich immer Tote, darunter viele Frauen und Kinder.

Die Sache eskaliert, die Palästinenser hantieren inzwischen mit aus dem Ausland gelieferten Raketen herum. Nochmals, ich bin gegen die Einseitigkeit. Israels Freunde lassen im hohen Maße Empathie gegenüber den Palästinensern vermissen. Habt Ihr nichts aus der Geschichte gelernt?

 

Klaus Hinkel, Schwetzingen:

Eigentlich wollte ich mich zu dem Vorgang nicht äußern, aber der Abdruck von zwei völlig einseitigen Leserbriefen hat mich nun doch veranlasst, diesen Leserbrief zu verfassen. Auch die Anwürfe in den abgedruckten Leserbriefen gegenüber Ihrem Redaktionsmitglied Herrn Roger Scholl sind völlig daneben. Herr Scholl hat in seinem ausgewogenen Kommentar „Richtig – und falsch“ den Sachverhalt sehr behutsam und mit viel Fingerspitzengefühl dargestellt. Wenn sich nun unsere jüdischen Mitbürger so vehement gegen Herrn Abu Sneineh stellen, so stellt sich mir die Frage: „Wenn zwei das Gleiche tun?“

Dabei kommt mir der ehemalige israelische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger (1978) Menachem Begin (+1992) in den Sinn. Begin hatte Ende der 1940er Jahre als Untergrundkämpfer an der Tötung englischer Soldaten (Mandatsgebiet) mitgewirkt. Außerdem war er in ein Bombenattentat auf Konrad Adenauer 1952 verstrickt. Bei der Bombenentschärfung kam ein Feuerwehrmann uns Leben.

Sind diese Taten anders zu bewerten als das, was dem Bürgermeister von Hebron vorgeworfen wird? Trotz dieser Vorgeschichten war Herr Begin geachtet und anerkannt. Die Existenz des Staates Israel ist deutsche Staatsräson und das ist auch gut so! Aber rechtfertigt dies Alles und Jedes? Kam man dies immer und jederzeit mit zweierlei Maß messen, wie mein Beispiel zeigt. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

 

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2BwgITH