Margot Honecker freut sich

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Zum Debatten-Beitrag „Welche Rolle sollte Religion heute spielen, Herr Möller?“ vom 24. Februar:

1922 wurde an der Ludwig-Maximilian-Universität in München ein Lehrstuhl für Rassenhygiene eingerichtet, 1924 in Berlin unter dem Dach der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ein Institut für Rassenhygiene. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft war die Vorgängerin der Max-Planck-Gesellschaft und zählte sogar Albert Einstein zu ihren Mitgliedern. Kein akademisches Prekariat also. Beide Einrichtungen, den Lehrstuhl und das Institut, gibt es aber heute so nicht mehr, warum wohl?

Nur zehn Jahre später aber wurden Gesetze erlassen, die dafür sorgten, dass Tausende Richter, Lehrer- und andere Beamtenstellen frei wurden, weil ihren bisherigen Inhabern eine Eigenschaft anhaftete, die sie nach der neuen Rechtslage ungeeignet für ihr Amt erscheinen ließ, ja sogar als Gefahr für die allgemeine Wohlfahrt.

Diese deutschen Gesetze lösten keineswegs einen europaweiten Proteststurm aus, eher war die Stimmung so: Die machen endlich mal was! Es war Teil einer transnationalen postreligiösen Hexenjagd. Der Wissenschaftsbetrieb besteht auch heute nicht nur aus Aneignung von Wissen, Austausch und Weitergabe solchen Wissens. Da gibt es gute und mangelhafte Selbstdarstellung, Rangeln um Posten und Fördertöpfe, Missgunst. In den 1920er Jahren und um 1968 gehörten zum lebendigen Universitätsleben hierzulande auch wohlgeplante Störungen und das gezielte Niederbrüllen missliebiger Dozenten.

Nächste Hexenjagd

Herrn Möller höre ich nun zur nächsten Hexenjagd blasen. Vielleicht erlebe ich noch, dass er in einem Gremium sitzt, das darüber wacht, dass Studienbewerber keine religiöse Infizierung erkennen lassen. Und Margot Honecker freut sich im Parteihimmel: Es war also doch nicht alles vergeblich. Bei ihr galten religiös geprägte Menschen als auf bedauerliche Weise Behinderte, denen der Staat im Zweifelsfall womöglich freundlich, aber nicht mit Inklusion, sondern mit Exklusion begegnen müsse, weil diese Art Behinderung doch zuweilen ansteckendes Potenzial zeigte.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2F9kwuB 

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