Mit zweierlei Maß gemessen

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Zum Kommentar „Orbán entlarven“ vom 15. Mai:

Die „MM“-Kommentatoren haben üblicherweise drei Bösewichte, Trump (USA), Putin (Russland), Orban (Ungarn). Diesmal hat sich Detlef Drewes Viktor Orban vorgenommen und wirft ihm u. a. vor, die Gerichtsbarkeit mit parteitreuen Juristen zu besetzen. Wie das in Deutschland funktioniert, konnte man vor nicht allzu langer Zeit beobachten, als Stephan Harbarth, langjähriger CDU-Abgeordneter, zum Verfassungsrichter wurde und jetzt sogar Präsident des Verfassungsgerichts.

Die Auswahl neuer Verfassungsrichter wird formal mit Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und Bundesrat besiegelt. Defacto ist es aber das Ergebnis einer Hinterzimmer-Politik. Der Posten stand der CDU zu, und Merkel hat Harbarth ausgewählt. Er wurde 2009 mit einem Direktmandat in den Bundestag gewählt. Als erfolgreicher Jurist in Wirtschaftsfragen und Geschäftsführer seiner Kanzlei in Mannheim erzielte er so nebenher ein beträchtliches Einkommen. Als Verfassungsrichter darf er jetzt auch über Sachverhalte entscheiden, über die er schon als CDU-Abgeordneter abgestimmt hat.

Verstoß gegen Rechtsstaatlichkeit

Das Besetzen von Richterposten mit eigenen Parteifreunden ist nach Ansicht des Kommentators in Ungarn ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit. Die Besetzung von Richterposten in Deutschland, die der ehemalige Bundestagspräsident Lammert als „unwürdig“ bezeichnet hat, ist anscheinend völlig rechtsstaatlich. Hier wird von Detlef Drewes mit zweierlei Maß gemessen. (von Franz Grossmann, Mannheim)

Info: Originalartikel unter https://bit.ly/2XkPya3