Mohren-Diskussion geht weiter

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Noch immer ein Zankapfel: der Sarotti-Mohr im Mannheimer Capitol. © cvs

Zum Artikel „Bietet Platz für Alltagsrassismus im eigenen Haus“ vom 6. März:

Nach Meinung des Mannheimer Antidiskriminierungsbüros (ADB) sind die beiden Sarotti-Mohren über der Theke des Capitol ein „eindeutiges kolonial-rassistisches Zeugnis“ und sollten auch nicht in veränderter Form beibehalten, sondern wegen ihrer verletzenden Wirkung auf möglicherweise Betroffene unbedingt entfernt werden. Eindeutig?

Schon in der Diskussionsveranstaltung am 19. Februar hat Ulrich Nieß darauf hingewiesen, dass der Mohr neben der rassistischen auch eine menschenfreundliche Deutung zulässt. Dabei kann freilich, anders als viele Verfechter eines Bleiberechts für das kleine Männlein meinen, der koloniale Kontext gar nicht bestritten werden.

Doch rassistische Diskriminierung oder Verachtung hatte sein Schöpfer Julius Gipkens offensichtlich nicht im Sinn: Er zeigt uns keinen unterwürfigen Sklaven, sondern ein kindliches, zugleich witziges, selbstbewusstes und charmantes Wesen, das in Windeseile und routiniert eine verführerische Tafel Schokolade herbeizaubert. Die regungslos herabhängende Turbanquaste verweist auf das Märchenhafte des Geschehens.

Nicht koloniale Ausbeutung wird illustriert, sondern der faszinierende Zauber des Orients. Wer mag, kann der Darstellung trotzdem eine Verleugnung kolonialer Gewalt unterstellen, nur – zwingend ist diese Kontextualisierung nicht. Die Älteren, die von der liebgewordenen Reklamefigur ihrer Kindheit nicht lassen wollen, überzeugt dieser Zusammenhang schon gar nicht, denn sie fühlten sich einst, als vielleicht etwas ängstliche und unsichere Kinder, von dem kleinen cleveren Aladin angesprochen, weil er mit seiner Schokolade etwas ganz Besonderes zu bieten hatte und dafür bei groß und klein Anerkennung fand.

Es ist also ausschließlich von unserer „Rahmung“, wie es neuerdings heißt, abhängig, ob das Sarotti-Maskottchen rassistische Gewalt verleugnet oder gar im Gegenteil der rohen Gewalt mit Zauberkraft, unzerstörbarer Vitalität und Witz widersteht. Vieldeutigkeit, Humor und fröhliche Subversion wahrzunehmen setzt allerdings voraus, dass man einen Sinn dafür entwickelt hat. Wenn nicht, läuft man im Alltag Gefahr, sich selbst zu diskriminieren. (Rita Maunz und Roland Hammerstein, Mannheim)

Ich dachte, der Mohr sei inzwischen gegessen; aber es sind wohl noch viele PCs (Political Correcte) unterwegs. Darum entschuldige ich mich bei denen, die sich nicht wehren können, weil ich gedankenlos: Frische Bauerneier mag, oder Bauern als Omelett; Jäger paniere und südosteuropäische Ethnien; Pferdesalbe verwende (aber keine Wurst), Fischer als Dübel in die Wand klopfe (Aua); Schweineohren beim Bäcker hole (wegen der Veganer); Fischaugen als Objektiv verwende, und Maden verschraube. Engländer und Franzosen hausen in meiner Werkzeugkiste, neben Kuhfuß, Schlangenbohrer und Fuchsschwanz. Und so weiter, und so weiter.

Am meisten tut es mir heute leid, dass ich als Kind den kleinen Krauskopf im weißen Kittel, der Weihnachten bei der Krippe in der Dorfkirche die Spendenbox bewachte, mit einem Stäbchen zum Dauernicken veranlasste. Das war ja so was von rassistisch. Doch fand ich’s damals lustig. (Jürgen Althoff, Ludwigshafen)

Die ganze Diskussion um das harmlose Werbeplakat find ich nicht angebracht. Es gibt wirklich andere Themen, die ernsthafter sind, über die man diskutieren sollte. Meine Meinung, und ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die auch glauben, dass diejenigen, die einen rassistischen Hintergrund sehen, selbst rassistisch denken. Eine Reklame, die 100 Jahre alt geworden ist, kann das nicht sein. Mit dieser Reklame haben Generationen an Schokolade gedacht. Liebes Capitol, hängt den Sarotti-Mohr nicht ab. Die Mehrzahl freut sich bei diesem Anblick. (Renate Huber, Mannheim)

In seinem Kommentar vom 28. Februar beklagt Michael Ströbel die Entscheidung, den „Sarotti-Mohr“ im Capitol zu belassen, als absurd. Schon in der Kindheit erfreuten sich meine Freunde und ich bei den sonntäglichen Kinobesuchen im Capitol an dem bunten, fröhlichen Mohr. Wir tun es noch heute und möchten ihm bei unseren Besuchen im Capitol auch weiterhin unbefangen begegnen. Wer diese Reklame jedoch zweifelsfrei als rassistisch-beleidigend betrachtet, der reduziert seine Gründe lediglich auf subjektive Äußerlichkeiten des optischen Nichtgefallens.

Rassismus aber entwickelt sich im Hirn, durch einseitig ideologische Ansichten. Weder Operetten wie Zigeunerliebe, Zigeunerbaron, noch der Mohr Monosatos in Mozarts Zauberflöte oder der Zigeunerchor in Verdis Troubadour haben je Rassismus bewirkt. Und das bei weltweit Millionen Besuchern! (Erwin Trützler, Mannheim)

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2Fplv83 

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