Neue Wege einschlagen

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Papst Franziskus (r.) leitet auf einem Archivbild in Vatikanstadt die wöchentliche Generalaudienz in der Audienzhalle. Im Hintergrund sitzt Erzbischof Georg Gänswein, dessen Aussagen von einem Leser kritisiert werden. © dpa

Zum Geistlichen Wort „Alt, müde und hässlich“ vom 29. Juni:

Herrn Pfarrer Wintzek stimme ich ohne Abstriche zu, weil er klar und offen ausspricht, was eher nur hinter vorgehaltener Hand im kleinen Kreis gesagt wird. Die christlichen Kirchen – vor allem die katholische, der ich angehöre – haben sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht in besonderer Weise durch jugendliche Frische, durch Klarheit, Offenheit und durch Wahrhaftigkeit ausgezeichnet.

Interne Welt verteidigt

Das Gegenteil von all dem war häufig eher wahrzunehmen: zudecken, sich abschotten, blockieren, heucheln – die eigene, interne Welt verteidigen, mit eigener Moral, die den anderen überlegen ist. Natürlich haben das nicht alle mitgemacht – darunter viele Seelsorger, sowie Theologieprofessoren zum Beispiel aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Holland und die meisten jungen Menschen – aber die herrschende, institutionalisierte Meinung hat sich bisher als sehr stark erwiesen.

Wenn Papst Franziskus zögernd versucht, andere Schritte zu gehen, wird er offensichtlich sofort ausgebremst zum Beispiel von Kardinal Müller, Bischof Gänswein und Gesinnungsgenossen. Herr Gänswein hat vor wenigen Wochen in einem Vortrag vor den Bundesgerichten in Karlsruhe das deutsche Recht in Frage gestellt, weil es die traditionelle Ehe von Mann und Frau geöffnet hat für andere Formen der Gemeinschaft, die der Ehe gleichgestellt werden. Das ist sicher diskussionswürdig. Aber mir scheint, Herr Gänswein sieht darin das Ende eines christlichen Abendlandes heraufziehen.

Die Frage ist doch: Wer einer solchen sicher ehrwürdigen Kultur – wie ich das „christliche Abendland“ durchaus nennen würde – mehr Schaden zufügt: Eine offenere Einstellung zu Ehe und Sexualität oder eine „verhuschte und verlogene Mentalität“, wie es Herr Wintzek nennt, die vielfach in den Kirchen verbreitet ist.

Wenn insbesondere die katholische Kirche noch eine Bedeutung haben will für künftige Generationen und offen bleiben will als Zugang zu einem jesuanischen Gottesglauben, muss sie meines Erachtens glaubhafte andere Wege einschlagen – näher bei den Menschen mit ihren Fragen und Sorgen des Alltags und gemeinsam mit ihnen. (von Manfred Ronellenfitsch, Mannheim)

Fast möchte man „Bravo“ rufen, wenn einem angesichts der schlimmen Lage nicht jeglicher Jubel im Halse steckenbleiben würde. So deutlich und eindeutig habe ich die Situation unserer Kirche noch von keinem Geistlichen skizziert bekommen, und das nicht nur hinter vorgehaltener Hand in verschwurbelten Andeutungen in irgendwelchen Unterausschüssen sogenannter Reformprozesse, sondern an dieser ganz prominenten Stelle des Geistlichen Wortes im „Mannheimer Morgen“.

Pfarrer Wintzek soll wissen, dass er damit vielen älteren Katholiken aus der Seele spricht, die in ihrem erfolglosen Engagement für eine Erneuerung unserer Kirche müde wurden und sich resigniert zurückgezogen haben. (von Heinz Ulbricht, Mannheim)

Info: Originalartikel vom http://bit.ly/2XCOIDN