„Rassismus“ zu inflationär verwendet

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Zum Artikel „Antimuslimischer Rassismus im Alltag“ vom 19. Oktober:

Im „MM“ wird – wie in der Gesellschaft überhaupt – leider der Begriff „Rassismus“ sehr unkritisch und sehr inflationär verwendet. Letztes Beispiel die Überschrift zu: „Antimuslimischer Rassismus im Alltag“.

Nein, es kann hier nicht um „Rassismus“ gehen, es geht bei einer Diskussion über den Islam und die Menschen, die ihn leben und vertreten, um Religion. Und nicht um „Rasse“. Es geht darum, Fragen zu stellen, ob der nach der Schrift gelebte Islam kompatibel ist zu aufgeklärten westlichen Gesellschaften – Stichwort Staatsverständnis, Vorrang des bürgerlichen Rechts und so weiter.

Von Religion keine Rede

Das hat aber mit „Rassismus“ überhaupt nichts zu tun. Bin ich Rassist, wenn ich manche Vorstellungen eines orthodoxen Katholizismus ablehne und seine Vertreter sehr misstrauisch betrachte? Ein Blick in die entsprechende Konvention der UNO könnte helfen: Sie richtet sich „gegen jede rassistische Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler und ethnischer Herkunft.“ Von Religionen keine Rede ... Man tut dieser Diskussion, wie übrigens zu vielen anderen Themen, durch unbedachten, geradezu hyperventilierenden Gebrauch von Schlagwörtern keinen Gefallen, macht sie – absichtlich? – fast unmöglich.

Kann, darf man mit „Rassisten“ reden? Nein?! Also braucht man’s auch nicht, diskutiert am besten gar nicht. Sehr einfach. Nebenbei bemerkt: Jemand nur wegen einer mir nicht genehmen Meinung von der Diskussion auszuschließen, aufgrund von – angeblichen – Eigenschaften?

Andere Dimension

Nehmen wir diese unzutreffende, wachsweiche, tendenziöse Definition des Begriffs – ist das dann nicht genau dieses: „Rassismus“? Umso schlimmer gerade hier und jetzt und in diesem Fall, angesichts der tragischen deutschen und europäischen Geschichte: Sechs Millionen Juden wurden nicht ihrer Religion wegen verfolgt und umgebracht, sondern weil sie – völlig irrational – „biologisch“ zur homogenen „Rasse“ erklärt wurden, zur genetisch per se bösen und minderwertigen und zur letztlich lebensunwerten Rasse. Und das ist ja wohl eine ganz andere Dimension …

Jan Benedict Tiggeler, Mannheim