Rechtzeitig mit gebotener Härte vorgehen

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Zum Leserbrief von Manfred Stiegel „Leser zu den Reaktionen auf den Bürgermeister-Besuch“ vom 22. August:

Das Beispiel Menachem Begin, welches Herr Stiegel am Anfang seines Leserbriefes aufführt, war für mich der Grund, warum ich zu keinem sicheren Urteil bezüglich des Empfangs von Hebrons Bürgermeister Taysir Abu Sneineh in Mannheim kommen konnte. Frau Marhöfer hatte im Zusammenhang mit dem Empfang zu Recht auf die zweifelhafte Verwendung der Hilfsgelder, die auch aus Europa in den Gazastreifen fließen, hingewiesen.

Herr Stiegel greift diesen Hinweis auf und macht daraus einen Vorwurf, indem er die israelische Politik kritisiert, ihr Ziel bestünde darin, das mit den Hilfsgeldern Erbaute, „sinnlos“ zu zerstören. Er trägt dies im Duktus des scheinbar objektiven Dritten vor, indem er nicht offen Schuldzuweisungen vornimmt – stattdessen werden diese Botschaften unterschwellig vermittelt.

Dies fängt bei der akribischen Aufzählung der israelischen Politiker beziehungsweise deren Ehefrauen an, die in Israel strafrechtlich belangt wurden. Mit welchem Eifer er diese aufzählt und er dabei – vielleicht unwillentlich – Untreue und Unterschlagung mit Terrormorden auf eine Stufe stellt, ist auffallend.

Scheinbar harmlose Frage

Dann kommt er auf die Eskalationen und Kriege zu sprechen, in denen das vermeintlich so starke Israel auf die wohl nicht ernsthaft gemeinten Raketenangriffe der Hamas mit Gegenschlägen antworten würde, die in sinnloser Zerstörung der Infrastruktur münden und dabei „grundsätzlich Tote, darunter Frauen und Kinder fordern“ würde. Herr Stiegel wendet sich dann am Ende nochmals an Frau Marhöfer, die langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheims, und die „Freunde Israels“ mit dem Hinweis, man lasse es im hohen Maße an Empathie gegenüber den Palästinensern vermissen.

Er schließt seinen Leserbrief ab mit der Frage, ob die „Freunde Israels“ denn nichts aus der Geschichte gelernt hätten? Diese so scheinbar harmlos gestellte Frage lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Wen meint Herr Stiegel wohl, wenn er von den „Freunden Israels“ schreibt und was meint er, hätten diese „aus der Geschichte“ lernen sollen? Und ist es – vor dem kurz zuvor erhobenen Vorwurf des Empathiemangels gegenüber den Palästinensern – überhaupt eine Frage? Für mich ist es nur grammatikalisch eine Frage; inhaltlich ist es ein Vorwurf an die „Freunde Israels“, nichts aus „der Geschichte gelernt“ zu haben.

Lehre des Holocausts

Und die „Freunde Israels“– damit dürften vor diesem Hintergrund vor allem die in Deutschland lebenden Juden gemeint sein – und „aus der Geschichte“ ist wohl als eine Umschreibung der Shoah zu verstehen. Vor dieser Interpretation entfaltet die Frage für mich ihr volles Potenzial: Da wirft ein Nachfahre aus dem Kollektiv der Mörder, Mitläufer und der viel zu wenig Widerstand Leistenden den Nachfahren aus dem Kollektiv, der in Auschwitz, Birkenau und Treblinka vergasten, in Krematorien verbrannten und deren Asche durch die Schornsteine in alle Himmelsrichtungen verteilten, den „Freunden Israels“, den Juden, allen Ernstes vor, nichts „aus der Geschichte“ gelernt zu haben?

Doch, ich habe „aus der Geschichte“, dem Holocaust, gelernt, mich auf die Mitmenschlichkeit und Solidarität meiner nichtjüdischen Mitbürger nur sehr bedingt zu verlassen und dass der einzige Staat in der Welt, der mich im Falle einer Verfolgung ohne Wenn und Aber aufnehmen wird, der Staat Israel ist. Und dass wir uns niemals mehr wie Lämmer auf die Schlachtbank führen lassen werden, sondern gegen unsere Feinde rechtzeitig mit der gebotenen Härte vorgehen müssen. In Nahost – und in Mannheim.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2oklHxe