Reflektierte Stammtischparolen

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Jürgen Leonhardt nimmt in seinem Leserbrief Bezug auf die sogenannte Hattie-Studie, welche hauptsächlich Lehrer für den Lernerfolg von Schülern verantwortlich macht. Leonhardt hingegen hält die alten Schulstrukturen in Deutschland für das große Problem. © dpa

Zum Leserbrief „Stresstest für Gemeinschaftsschulen“ vom 13.2.:

Der Leserbrief von Rolf Menz ist einer von den „klassischen“ Beiträgen zum Thema Bildung und Schule: Er redet über Schule, Studien (John Hattie) und so weiter, hat aber vermutlich weder eine solche integrierte Schule (IGMH, Kerschensteiner, Johannes Kepler, alle in Mannheim), je von innen gesehen, noch die Hattie-Studie gelesen. Anders ist es kaum erklärbar, dass jemand einen solchen Unsinn von sich gibt.

Haben Sie gewusst, dass Hattie sich in seiner Meta-Studie nur mit englischsprachiger (meist amerikanischer Literatur) beschäftigt hat und mit der dreigliedrigen deutschen Schulstruktur nie in Berührung gekommen ist? Mit anderen Worten, er weiß gar nicht, welche schier unüberwindbare Bildungsbremse das vertrackte Schulwesen in unserem schönen Lande darstellt.

Hätte er es gewusst, hätte er vermutlich nicht behauptet, auf den Lehrer komme es an, sondern – so wie es fast alle Autoren der Pisa-Studien formulieren – gewusst: die veralteten Schulstrukturen in Deutschland lassen bessere Ergebnisse nicht zu. Gute Lehrer in den falschen Strukturen sind verschwendete Talente! Sie können sich da nicht optimal entfalten (Beispiel Hauptschule). Nun aber eine zentrale Antwort aus der Wissenschaft. „Anne Jeschke“, schreiben Sie, „preist . . . völlig unreflektiert die neuen Heilsbringer des Erfolges“, die Gemeinschaftsschule. In der neuen Pisa-Studie 2017 zum deutschen Problem der Abhängigkeit des Bildungserfolges vom sozialen Status der Eltern, sagt Andreas Schleicher, Koordinator der Pisa-Studien, „dass eine stärkere soziale Durchmischung an den Schulen sich positiv auswirkt und das . . . durch die Zusammenführung von Haupt- und Realschule!“ Das, lieber Herr Menz, ist genau das, was die Gemeinschaftsschule macht.

Sie ist kein „Heilsbringer“, sondern die Lösung von Problemen, die uns aus den alten Strukturen unseres gegliederten Systems erwachsen sind. Man kann Frau Jeschke also schlimmstenfalls vorwerfen, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse „unreflektiert“ übernimmt, während Sie wohl lieber reflektiert Stammtischparolen zum Besten geben.

Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2GxEjAY

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