Schönste Jugendjahre

Lesedauer

Zum Artikel "Wir wurden nicht verhetzt" vom 24. Juni:

Mein erster Mann, Hans Chowanetz, war Volksdeutscher aus dem Protektorat Böhmen und Mähren. Auch er war auf einer solchen Schule und hat mir oft davon erzählt. So kann ich nur bestätigen, was Ihre Zeitzeugen aus der Napola in Weiherhof gesagt haben.

Mein Mann, geboren 1933, war als Ältester eines kleinen Landwirtes dazu "verurteilt", Bauer zu werden. Da er für sein Leben gerne las, sein Berufswunsch war Marine-Offizier, hatte er viele Interessen und wurde als "begabt" von seinem Lehrer an die Napola in Lundenburg empfohlen. Er hatte immer gesagt, die zwei Jahre dort seien seine schönsten Jugendjahre gewesen: Sport, kameradschaftliche Lehrer, nie Schläge, keine politische Hetze, Dinge lernen, von denen er in seiner dörflichen Volksschule noch nicht einmal eine Ahnung bekommen hätte, Geländespiele, die Pfadfinderqualitäten hatten; Kameradschaft, Zuverlässigkeit und Rücksicht auf die Kleineren waren ein Muss; ebenso Disziplin und Selbstzucht, der Schießunterricht verlangte äußerste Konzentration und galt für Sport.

Zum Nachdenken gebracht

Das für ihn schlimmste Erlebnis war familiär: natürlich wusste er, dass Krieg war - sein Vater war Soldat. Dessen jüngster Bruder hatte mit 18 Jahren das erste Ritterkreuz im Protektorat bekommen und meinen Mann im daraufhin gewährten Fronturlaub von der Schule abgeholt. Zum Entsetzen des Buben ohne Uniform und Orden, er hätte doch so gerne vor den Kameraden damit angegeben. Das Gespräch mit dem Onkel und dessen Tod - er war kurz darauf gefallen -, hatte meinen Mann zum ersten Mal zum Nachdenken gebracht.

Ich hatte mir aus Interesse auch diesen "Napola-Film" im Fernsehen angeschaut. Der erzählte das krasse Gegenteil von dem, was mir mein Mann gesagt hatte. Den ich gut kannte und ihm deshalb mehr glaube.

Ich habe mich köstlich amüsiert über die drei Themen-Seiten "Weierhof" in Ihrer Samstag-Ausgabe. In Kirchheimbolanden erlebte ich mit 15 Jahren, mitten im Krieg, meine Tanzstunden mit gleichaltrigen Jungen und Mädchen des Ortes. Der Tanzunterricht fand im einzigen Gasthaus von Kirchheimbolanden statt, unter Beobachtung unserer Eltern auf der Empore. Die wenigen jungen Männer wurden verstärkt durch einen Jahrgang junger Männer aus dem Weierhof. Über diese Mittänzer freuten wir Mädchen uns sehr, sie waren groß, schön, sportlich in Hochform und freundlich.

Kein Nazisymbol

Mein Tanzherr stammte aus einem großen Bauernhof aus Bürstadt und war alles andere als ein Nazisymbol. Wir tanzten hinter den Säulen den modernen englischen und amerikanischen Swing, Lambeswork und Ähnliches, sicher nicht im Sinn hitler'scher Sturköpfe. Diese Jungen wirkten keineswegs unterdrückt, mussten aber eine strenge sportliche Ausbildung durchlaufen.

Diese Tanzstunden mit den netten jungen Männern aus dem Weierhof gehört zu den schönsten Erlebnissen meiner Jugend.

Hier geht es zum Originalartikel.

Mehr zum Thema

Interview „Ein perfekter Sonntag“

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Portrait Staatsdienerin mit Leidenschaft für Mathematik - und Feuer

Veröffentlicht
Mehr erfahren