Leserbrief - Zu "Gewaltfrage spaltet schon immer . . ." (FN 15. Juli) Selbstermächtigung

Lesedauer

Vielen Dank für diesen Artikel aus der Feder einer der "Intellektuellen der 1968er". Die Analyse ist stimmig, und die Autorin Barbara Sichtermann versucht nicht, Gewaltaffinität aus der linken Szene herauszudefinieren, indem sie Gewalttäter allesamt zu apolitischen Chaoten erklärt.

Der Beitrag zeigt sehr gut, wo der Hase im Pfeffer liegt: Das Leiden an den Ungerechtigkeiten der Welt im Allgemeinen und die staatliche Polizeigewalt im besonderen führen zur Selbstermächtigung, eigene Regeln aufzustellen und diese unter Bruch des staatlichen Rechts durchzusetzen - mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf die Belange Dritter. Die Mühen der Ebene - also politische Überzeugungsarbeit zu leisten und Mehrheiten zu organisieren - überfordern die Aktivisten, auch intellektuell ("zu abstrakt" ist ein Problem, wie die Autorin erklärt).

Besonders frustrierend ist natürlich, wenn man mit den eigenen politischen Überzeugungen die meisten anderen Menschen nicht zu überzeugen vermag.

Dass mit den eigenen Überzeugungen etwas nicht stimmen könnte, kommt dabei nicht ins Bewusstsein. Stattdessen: Viel Sendungsbewusstsein mit der Lizenz zur Bevormundung anderer. Das sind alle Ingredienzien für religiöse Eiferer, wie sie seit geschichtlichen Zeiten die Menschen terrorisieren. So neu ist das also alles gar nicht - vielmehr ewiggestrig.

Mehr zum Thema

Journalisten-Auszeichnung „MM“-Redakteurin nominiert: Theodor-Wolff-Preis wird in Berlin verliehen

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Verbraucher Wer zu kurz kommt

Veröffentlicht
Mehr erfahren