Leserbrief Verjährte Erfahrungen der Frustration

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Zum Artikel „Lehrer klagen über viel Arbeit“ vom 10. März:

Als Gymnasiallehrerin mit 35 Jahren Berufserfahrung möchte ich mich zu Wort melden. Es scheint, als seien die Meinungsmacher Ihrer Zeitung teils Journalisten, die in den 1980er und 1990er Jahren nicht in den Lehrerjob gekommen sind, oder aber, sie kennen privat keine Gymnasiallehrer/innen und schöpfen aus ihren verjährten Frustrations-Erfahrungen als ehemalige Schüler. So lässt es zumindest der Kommentar von Herrn Reinhardt zur Lehrerarbeitsstudie vermuten.

Hier wird Volkes Stimme zitiert, wer sich da zu Ostern und Pfingsten am Gardasee oder an der Adria die Sonne auf den Bauch scheinen ließe. Tatsache ist, dass die Arbeitsstudie – genaues Lesen wäre hier angesagt – natürlich feststellt, dass die Arbeitszeitbelastung in den Ferien deutlich geringer ausfällt. Sie liegt allerdings in keinen Ferien bei Null.

Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass die ‚Urlaubs-Lehrer‘ am Gardasee diese freie Zeit mit teilweise exorbitant hohen Stundenzahlen vor und nach den Ferien ‚bezahlen‘. Dies ergibt sich aus der freien Arbeitszeiteinteilung, die wir Lehrkräfte genießen. Wir können durch Nachtschichten vor den Ferien einen Urlaub herausarbeiten.

Dass nach jeden Ferien – Ausnahme Sommerferien – Arbeiten zurückgegeben werden, Abiturkorrekturen vorgelegt werden müssen, vorbereiteter Unterricht montags um 8 Uhr stattfindet, kann jeder Schüler bestätigen. Wann wird diese Arbeit gemacht? Von manchen am Gardasee, abends, wenn die Familie schläft, von anderen vor dem Urlaub oder am durchgearbeiteten Wochenende. Zudem sind natürlich nicht alle Kolleginnen und Kollegen dauernd in Urlaub. Wir sind viele! Daher trifft man immer wieder Lehrer/innen mit ihren Familien an, wie auch Journalisten, vermutlich prozentual in ähnlich hoher Zahl.

Motiviert und kreativ

Nötig wäre die Anerkennung der Arbeitsleistung gerade auch am Gymnasium bei in den letzten Jahrzehnten gestiegenem Deputat, gestiegenen Schülerzahlen, gestiegener Heterogenität und zahllosen neuen Anforderungen im Vergleich mit dem Beginn meiner Berufstätigkeit, als wir ‚einfach unterrichteten‘. Sinnvoll und hilfreich wäre hier ein journalistischer Ansatz, der Lösungen sucht, durch die wir den gestiegenen Anforderungen Rechnung tragen können.

Wir sind nicht faul, wir sind motiviert und kreativ, aber wir haben Grenzen in unserer Belastungsfähigkeit. Um unseren Kindern gerecht zu werden, sollten wir dies berücksichtigen und dem Rechnung tragen. Ich wünsche mir einen Journalismus, der hier ideenreich und im Sinne von Bildung und Erziehung unserer Jugend Konzepte kritisch begleitet.

Katy Oberländer, Mannheim

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