Leserbrief: Zur meisterhaften Handwerks- und Baukunst in Bad Mergentheim Weitsichtig auf die richtigen Pferde setzen

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Was geht uns Tradition an und wie gehen wir mit ihr um? Ist es uns wirklich gleichgültig, wenn einzelne clevere Investoren das Vermächtnis der auf uns überkommenen meisterhaften Handwerks- und Baukunst unserer Vorfahren - gegen den erklärten Willen der Bürger - rücksichtslos zerstören? Es ist doch ein gewaltiges Ärgernis, wenn sie diese authentischen Geschichtszeugnisse, die das jeweils typische individuelle Gesicht unserer Städte prägen, statt zu bewahren willkürlich und dauerhaft verändern durch unangemessene, protzige Einheits-Betonklötze.

Gewiss, die Zeiten ändern sich, und Innovation kann beleben. Aber diese Art von Verschönerung tut weh und kommt bei der Bevölkerung nicht an, beflügelt auch nicht den Tourismus: Macht nicht gerade der morbide Charme die Attraktivität von Venedig aus? Mussten nicht auch Görlitz, Bautzen, Quedlinburg, Lüneburg und andere lange geduldig auf die richtigen(!) Investoren warten, die den Dornröschenschlaf dieser geschichtsträchtigen Städte beendeten und ihnen ihre alte Pracht und Schönheit wiedergeben!

Sollten nicht auch wir unserer wertvollen Vergangenheit eine entsprechende Zukunft geben? Den über die Jahrhunderte angesammelten bau- und kulturgeschichtlich immensen, unersetzlichen Schatz aus allen Kulturepochen für einen falschen, zumal flüchtigen Gewinn im Stadtsäckel zu verschleudern heißt doch "Hans im Glück" zu spielen, liebe verantwortliche Mergentheimer Stadt- und Gemeinderäte! Um echte Gewinne zu erwirtschaften, setzt besser weitsichtig auf die richtigen Pferde und beendet den sukzessiven Ausverkauf unserer historischen Altstadt!

Nicht der Investoren-Baueifer zur Befriedigung skrupelloser Gier, nicht die Anbetung der Goldenen Kälber, des ewigen Götzen Mammon, sondern ein anderes Wertebewusstsein treibt dagegen jene Bürger an, welche immer wieder alte sinnstiftende Flurdenkmale, Bildstöcke und Hausmadonnen im "Madonnenländle", unserer immer noch reichen heimischen Kulturlandschaft, vor dem Verfall retten und mit großem privaten Aufwand erhalten und pflegen.

Sie beweisen Gemeinsinn und ein subtiles Gespür für geistige Werte, für Harmonie, Schönheit und für Traditionspflege. Ihr Verhalten ist vorbildlich: Sie arbeiten selbstlos zu unser aller - auch kommender Generationen - Freude und Erbauung. Was man von Bäumlisberger und Co. leider nicht sagen kann. . .

Übrigens: Neuerdings gibt es in Alt-Mergentheim sogar ein rotierendes Kleindenkmal in luftiger Höhe. Es befindet sich auf dem Dach einer Fachwerkscheune, die seit Merians Zeiten, das heißt seit dem Dreißigjährigen Krieg, unbeschadet überlebt hat (Mauergasse/Ecke Entengasse). Die Wetterfahne in Form zweier Rösser will dazu beitragen, den guten alten Brauch der privaten Denkmale wiederzubeleben. Sie soll uns an die unbezahlbaren, vielseitigen Verdienste der Pferde als mobile, unersetzliche Energiequelle (PS) erinnern: Ohne deren treue Hilfeleistungen alltäglich über fünf bis acht Jahrtausende wäre die menschliche Entwicklung so ganz undenkbar gewesen. Dank und Anerkennung haben sie sich, Generation für Generation, hart verdient! Infolge zunehmender Technisierung der Arbeitsvorgänge wurden die echten Pferde, unsere edlen, treuen Kameraden und Freunde, überflüssig und aus dem Alltag wegrationalisiert. Tradition hin oder her: C'est la vie. Freuen wir uns also wenigstens daran, wenn wir sie nun in Sichtweite des Ritterdenkmals auf dem Geisterhaus und neben dem Dachreiter Mühlwehrstraße 22 da oben durch die Wolken stürmen sehen.

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