Serie (Kandidatin 2) - Julia Heffner für "Äfach de Beschde" nominiert

Ein großes Herz für kleine Kämpfer

Von 
Angela Boll
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Mannheim. Phill verpennt eingekuschelt das Blitzlicht. Durch nichts lässt sich der Kleine in seinem Brutkasten-Nestchen im Mannheimer Universitätsklinikum aus der Ruhe bringen. Zehn Tage ist er alt, wiegt gerade mal 600 Gramm. Aber das Überwachungsgerät zeigt: Es geht ihm gut. Der Rummel gefällt ihm. Viel nervöser wirkt dagegen die Frau, die sonst für Entspannung auf der Kinderintensivstation sorgt: Julia Heffner.

Die Abstimmung

Sie wählen den Sieger!

Immer donnerstags haben wir Ihnen einen Kandidaten für "Äfach de Beschde" vorgestellt. Am 23. Dezember begann die die Abstimmung. Jeder konnte im Internet oder per Postkarte seine Stimme abgeben. Bei der Auszählung wird nur eine abgegebene Stimme pro Person berücksichtigt. 

Die Abstimmung ist am 6. Januar 2018 zu Ende gegangen.

 

Die 37-Jährige erlebt in diesem Moment etwas, das sie nicht kennt und nach eigenen Angaben auch nicht sehr mag: Sie steht im Mittelpunkt. Gleich zwei Mütter haben die Mannheimerin unabhängig voneinander für die Serie "Äfach de Beschde" vorgeschlagen. Insgesamt sieben Personen hat die Jury aus allen Nominierten ausgewählt.

Ab 23. Dezember - wenn diese Kandidaten im Lokalteil dieser Zeitung vorgestellt worden sind - dürfen die "MM"-Leser über das Internet oder auch per Postkarte ihre Stimme abgeben und "Äfach den Beschde" küren. "Ich bin geschockt", ringt Julia Heffner mit Worten, als der "MM" sie im Klinikum besucht. Dass sie nominiert werden würde, "auf die Idee wäre ich nicht gekommen".

Tag und Nacht bereit

Dabei liegt es auf der Hand. Julia Heffner kümmert sich ehrenamtlich um Frühchen und kranke Neugeborene, sie achtet auf die Nöte der Mütter, hört zu, vermittelt Hilfe, tröstet, beruhigt, teilt Freud' und Leid. "Sie ist buchstäblich Tag und Nacht bereit", sagt ihre Nominiererin Melanie Seidenglanz: "Ihr liegt das Wohl der Kleinen richtig am Herzen, das merkt man in allen Worten und Taten. Heffner selbst fällt es schwer, sich solche Lobeshymnen anzuhören. Hier auf der Kinderintensivstation zu sein, nach den oft schwerkranken Winzlingen zu schauen, ihre Mütter in den Arm zu nehmen und die Väter zu stützen - "für mich ist das selbstverständlich", sagt Julia Heffner, "keine Last, nichts, zu dem ich mich verpflichtet fühle, einfach: normal".

Sabrina Reuleke, Julia Heffners zweite Nominiererin, lebt in Kiel. Vor drei Jahren reiste sie zur Geburt ihrer Tochter nach Mannheim, weil feststand, dass die Kleine mit Einschränkungen zur Welt kommen und medizinische Hilfe brauchen wird. Drei Tage nach der Geburt von Mariella lernte Reuleke Julia Heffner kennen. "Sie war einfach da", erinnert sie sich: "Immer". Den Aufruf für "Äfach de Beschde" entdeckte die Kielerin auf Facebook: "Ich dachte sofort an Julia." "Wahrscheinlich um die 80 Babys und ihre Familien", so schätzt Julia Heffner, hat sie in den vergangenen Jahren begleitet. Welche Ängste die Mütter durchstehen und was ihnen fehlt, das weiß sie haargenau. Denn auch sie selbst stand schon hier am Brutkasten - so wie jetzt Phills Mama, Julia Lorenz, die den Sprössling in der 23. Woche entband.

Rückblick: Im Jahr 2004 liegt Steve im selben Raum, angeschlossen an Atemgeräte, eingewickelt in Tücher, die nach seiner Mama riechen, unterstützt von Intensivmedizin, die sein Leben aufrecht erhält. Seine Mama, Julia Heffner, ist damals 23 Jahre alt: "Ich hatte keine Ahnung, von dem, was mich erwartet. Ich wusste nicht, wie es weitergeht. Ich habe einfach funktioniert", erinnert sie sich an diese Zeit. Das Auf und Ab, die Verzweiflung, die kleinen Freuden - "das konnte ich mit niemandem teilen", berichtet sie.

Ihr Mann habe zwar an ihrer Seite gestanden, musste aber arbeiten, und die Freunde seien mit dem Schicksal vollkommen überfordert gewesen. Der Alltag auf der Station glich, so beschreibt es Heffner, "dem Leben unter einer Käseglocke". Drei Monate hält Heffner durch, bis sie ihren kleinen Steve mit nach Hause nehmen darf. 2010 wird sie wieder schwanger, "mir ging's blendend", weiß sie noch. Sie arbeitet in einem Schreibwarengeschäft in Feudenheim, die Vorfreude wächst, das Baby gedeiht. Dann wird Julia Heffner Opfer eines Überfalls, kann sich von dem Schock kaum erholen und erleidet eine zweite Frühgeburt. Was die Mannheimerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Ihr kleiner Ben wird immer lungenkrank bleiben. Heffner gibt die Arbeit auf und widmet sich ihren Jungs.

Um Steve sorgt sie sich weiterhin. Kurz nach seinem sechsten Geburtstag erfährt sie, warum. Steve ist Autist, er hat spezielle Inselbegabungen, braucht geregelte Strukturen und Therapien. Julia Heffner meistert auch diese Herausforderung. Als sie wieder einmal mit ihren Jungs ins Klinikum zur Untersuchung muss, trifft sie zufällig auf eine verzweifelte Frühchen-Mutter. Julia Heffner hört ihr zu, besucht sie noch einmal und dann immer wieder. "Es hat sich langsam so entwickelt", erklärt Julia Heffner, die mittlerweile etwa dreimal in der Woche auf der Intensivstation auftaucht. "Ich glaube, für die Mütter bin ich das, was ich damals gebraucht hätte", sagt sie und es scheint, als würde ihr es tatsächlich erst in diesem Moment bewusst.

In der nächsten Donnerstagsausgabe stellen wir einen Mann vor, für den im Supermarkt der Kunde König ist.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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