Tourismus - Mannheimer Unternehmer sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt / Er spricht von einer Hetzkampagne

Nach abgesagter Brasilien-Reise warten Kunden auf ihr Geld

Von 
Steffen Mack
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Die weltberühmte Strandpromenade Copacabana in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. © dpa

Es klang vielversprechend: eine zweiwöchige Brasilien-Rundreise im November/Dezember 2018. „Darauf habe ich mich sehr gefreut“, sagt eine 31-Jährige, die in dieser Geschichte nicht namentlich genannt werden will. Doch 14 Tage vor dem Abflugtermin stornierte die Mannheimer Firma Vista Reisen das Ganze. Zur Begründung hieß es, der neugewählte Präsident Jair Bolsonaro wolle soziale Probleme „mit der Waffe lösen“. In Brasilien drohten bürgerkriegsähnliche Zustände.

„Das erschien mir stark übertrieben“, sagt die 31-Jährige. Das Unternehmen bot Umbuchungen an. Aber das wollte sie nicht. Ein Bekannter, der die Reise für sie mitgebucht hatte, vereinbarte eine Rückerstattung der bereits bezahlten 3335,80 Euro in Monatsraten. Die erste wurde im Dezember fällig. „Gesehen haben wir davon noch keinen Cent“, ärgert sich die Kundin. Stattdessen erfuhr sie, dass Vista Reisen am 22. Januar einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Die 31-Jährige recherchierte im Internet und entdeckte viele weitere Beschwerden. Mit einigen Betroffenen kam sie in Kontakt. Dann schaltete sie den „MM“ ein, „damit nicht noch mehr Menschen solch bittere Erfahrungen machen“.

Vista Reisen hat kein Ladengeschäft und ist nur online tätig. Der Gründer gab die Geschäftsführung im September 2018 an seine Frau ab, wirkt aber noch als Chef. Er ist mittlerweile auch Geschäftsführer eines Partnerunternehmens (Weltentdecker Reisen). Der Mann kandidiert – auf einem mittleren Listenplatz – bei der Kommunalwahl. In diesem Artikel wird er „XY“ genannt.

„Den Vorwurf der systematischen Abzocke weise ich mit aller Entschiedenheit zurück“, betont XY. Es handele sich um eine „Hetzkampagne“. Dass er berechtigte Forderungen derzeit nicht erfüllen könne, „liegt allein am Insolvenzantrag“. Und der sei nur nötig geworden, weil die zum Ausstellen von Reisesicherungsscheinen erforderliche Insolvenzversicherung völlig überraschend zum Jahresende gekündigt habe.

„Ein ganz normaler Vorgang“

Noch am 21. Dezember bot er in einer Mail an Geschäftspartner, die dem „MM“ vorliegt, bei Buchungen bis Jahresende 300 Euro Rabatt an. Das sei „ein ganz normaler Geschäftsvorgang“, verteidigt sich XY. Von der gekündigten Insolvenzversicherung habe er erst nach Weihnachten erfahren. „Im November und Dezember hatten wir zwar kleinere finanzielle Engpässe, erschwerend hinzu kamen bei mir gesundheitliche Probleme. Aber an eine Insolvenz war noch nicht zu denken.“

XY verteidigt sich auch mit dem Hinweis, Reisen in der Regel nur für Mitarbeiter der Tourismusbranche angeboten zu haben, mit teilweise starken Vergünstigungen.

Anzeigen erstattet

Der „MM“ hat XY mit weiteren Kundenvorwürfen konfrontiert. Etwa von Hans Meixner. Der meldete sich im Frühjahr 2018 für eine Peru-Reise an. Als sie für ihn terminlich nicht mehr in Frage gekommen sei, habe er mit XY lange Alternativen geprüft, aber nach einigen Ungereimtheiten – unter anderem ausbleibende Bestätigungen – schließlich seine Anzahlung zurückverlangt, sagt Meixner. Dazu XY: „Dieser Kunde hat eine fest gebuchte Reise abgesagt.“ Da ihm die aus Kulanz angebotenen Umbuchungen nicht gepasst hätten, „wollte er sich aus dem Reisevertrag ganz herausschwindeln“.

Ein Kunde, der anonym bleiben will, moniert eine schlecht organisierte Brasilien-Rundreise 2017. Dies war laut XY bis Oktober 2018 „nach meiner Kenntnis der einzige Fall einer gravierenden Fehlleistung“. Das Versäumnis sei aber nur ein nicht gebuchter Inlandsflug. Dem „MM“ liegt indes ein Urteil vor, das einem Kläger wegen weiterer nicht erbrachter Leistungen Recht gibt.

Janine Liebing (neben Meixner ist sie als einzige Kundin bereit, sich namentlich zitieren zu lassen) berichtet von einer Kolumbien-Reise im November 2018, bei der es schon im Vorfeld Probleme gegeben habe. Besonders, weil etwa Gepäckmitnahmen und Hotels nicht gebucht worden seien. Vor Ort habe sie gehört, dass man bei XY oft seinem Geld hinterrennen müsse, so Liebing.

„Korrekt an dieser Darstellung ist nur, dass auf dieser Reise versehentlich ein Flug ohne Gepäck gebucht wurde“, sagt XY. „Ich werde Anzeige wegen Verleumdung erstatten.“

Gegen XY sind bei der Mannheimer Staatsanwaltschaft drei Anzeigen wegen Betrugs anhängig. Ein Verfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Dagegen haben die Anzeigenerstatter, ein Weinheimer Ehepaar, Beschwerde eingelegt. Die beiden hatten sich Ende 2017 für Peru angemeldet. Im August 2018 habe XY gesagt, die Reise sei ausgebucht, er biete aber Alternativen an. Daraufhin hätten sie ihr Geld vergeblich zurückverlangt, erzählen die Eheleute.

XY erklärt hingegen, den Kunden habe der Termin nicht mehr gepasst. Er sei bereit gewesen, einen Teil der Anzahlung zurückzuerstatten. Aber „da sie unverschämt wurden und rechtliche Schritte androhten“, habe er das erstmal gelassen.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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