Sonderweg im Südwesten

Eisenmann will Präsenzunterricht nach Fasching

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dpa/lsw
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Spätestens nach Fasching sollen alle Klassen wieder vor Ort unterrichtet werden - so stellt es sich die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) vor. © Sebastian Gollnow

Stuttgart. Peu à peu zurück in die Präsenz: Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will die Schüler und Schülerinnen im Februar schrittweise an die Schulen zurückholen. Die Grundschulen sollen ab 1. Februar wieder in den Präsenzunterricht einsteigen, betont Eisenmann in einem Brief an das Staatsministerium, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In der ersten Februarwoche könnten zunächst die Klassen 1 und 2 zurückkehren, während die Klassen 3 und 4 noch eine Woche länger zuhause lernen.

Die Kitas im Land sollen nach Eisenmanns Vorstellung ab 1. Februar mit Betrieb in festen Gruppen wieder komplett öffnen. Spätestens nach der Faschingswoche, also ab dem 22. Februar, sollen alle Schüler an weiterführenden Schulen im Wechselunterricht lernen. Die Präsenzpflicht bleibe dabei weiterhin ausgesetzt, schreibt sie. Das heißt: Wer sein Kind nicht an die Schule schicken will, muss das auch nicht tun.

Baden-Württemberg wird den Corona-Lockdown zwar um zwei Wochen verlängern und an manchen Stellen verschärfen wie von Bund und Ländern am Dienstagabend beschlossen, doch für Kinder ist nun die Lockerung geplant. Grundschulen und Kitas sollen somit voraussichtlich vom 1. Februar an schrittweise wieder öffnen - "wenn die Infektionslage das zulässt", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstagabend. Die endgültige Entscheidung wolle man in der kommenden Woche treffen. Bis dahin solle Kultusministerin Eisenmann ein Konzept ausarbeiten, wie man "vorsichtig" öffnen und die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich halten könne.

Die Konzepte lägen längst vor, heißt es aus dem Kultusministerium, wo man unter anderem auf das Schreiben verweist. Im Staatsministerium zeigt man sich aber nicht zufrieden. "Ein Konzept sehe ich nicht dahinter", sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Mittwoch. Das sei ein Vorschlag, da fehle aber die Ausarbeitung und Anleitung. Man sei aber zuversichtlich angesichts der Infektionszahlen, dass man im Februar Schulen schrittweise wieder öffnen könne. Die Entscheidung soll voraussichtlich in der ersten Hälfte der kommenden Woche fallen.

Der Umgang mit den Schulen hatte bei den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag lange für Streit gesorgt. Insbesondere Merkel hatte darauf gedrungen, Kitas und Schulen bis Mitte Februar noch geschlossen zu lassen. Am Abend hatte sie betont, es gebe "ernstzunehmende Hinweise", dass die Mutation sich unter Kindern und Jugendlichen stärker verbreite als das bisher bekannte Virus. Allerdings sind die Länder für die Bildungspolitik zuständig. Präsenzunterricht ist nach Beschlusslage möglich, wenn die Präsenzpflicht ausgesetzt ist. Das ist in Baden-Württemberg schon seit Sommer der Fall.

Eisenmann, die auch CDU-Spitzenkandidatin ist, trommelt seit Wochen massiv für eine Öffnung vor allem von Grundschulen und Kitas, auch "unabhängig von Inzidenzzahlen" - dafür musste sie heftige Kritik einstecken. "Ich freue mich, dass wir den Familien in Baden-Württemberg eine Perspektive aufzeigen können, um sie in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen", sagte sie am Mittwoch der dpa.

Die CDU-Politikerin beruft sich dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach kleinere Kinder sehr viel weniger als ältere oder Erwachsene zum Infektionsgeschehen beitragen. Auch führt sie die Expertise von Kindermedizinern und Kinderpsychologen an, wonach die physischen, psychischen und sozialen Folgen bei einer anhaltenden Isolation von Kindern enorm sind. "Kinder brauchen andere Kinder, um sich psychisch und sozial stabil entwickeln zu können. Zudem ist der Lernerfolg im Präsenzunterricht mit Abstand am größten, das gilt insbesondere für die kleineren Kinder." Schulen und Kitas arbeiteten zudem seit Monaten mit bewährten Hygienekonzepten, die im geregelten Präsenzbetrieb leichter zu gewährleisten seien als im Rahmen einer ausgelasteten Notbetreuung.

Eisenmann fordert von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) angesichts der geplanten Rückkehr an die Schulen eine Ausstattung der Lehrer mit FFP2-Masken - "für die Begegnung der Erwachsenen im Lehrerzimmer oder auf den Bewegungsflächen wie Fluren oder Treppenhaus". An weiterführenden Schulen im Land gilt seit Mitte Oktober eine Maskenpflicht. An Grundschulen werde dies aus pädagogischen und infektiologischen Gründen weiterhin nicht angestrebt, heißt es aus dem Ministerium.

Die geplante Öffnung von Grundschulen und Kitas ab Februar ist nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angesichts fehlender Schutzmasken und mangelnden Personals nicht umsetzbar. So lange noch Sicherheitsmaßnahmen fehlten, sei ein solcher Schritt für Kitas und Schulen ab dem 1. Februar in der aktuellen Corona-Situation utopisch, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. "Die Sicherheit von Kindern, Jugendlichen und den pädagogischen Profis in Kitas und Schulen muss aber immer unser höchstes Ziel sein."

Auch der Landeselternbeirat ist von den Plänen nicht überzeugt. Der Beiratsvorsitzende Michael Mittelstaedt warf dem Kultusministerium Konzeptlosigkeit vor. Man schiele nur auf die Infektionszahlen - quasi in Erwartungsstarre, so Mittelstaedt. "Das ist verheerend!" Mittelstaedt wünschte sich konkretere Pläne für die möglichen Öffnungen. "Es sind viele Detailfragen zu klären wie etwa die Schülerbeförderung, Masken und Abstände." Für die Eltern sei das eine Zumutung, die von öffentlicher Hand präsentiert werde.

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