"Paradise Papers"

Legal - aber umstritten

Von 
Peter W. Ragge
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Einer seiner letzten großen Auftritte in Mannheim: Curt Engelhorn 2010 vor der Jesuitenkirche beim Festgottesdienst zur "Staufer"-Ausstellung. © Markus Prosswitz

Die "Paradise Papers"-Enthüllungen lassen die großzügigen Spenden und Schenkungen des Pharma-Milliardärs Curt Engelhorn in einem anderen Licht erscheinen. Auch in die Region floss über Stiftungen Geld aus Steueroasen.

Curt Engelhorn - in der Kurpfalz verbindet man mit der Person eine großzügige, wenn auch umstrittene Unternehmerpersönlichkeit. Er ist Stifter für die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und die Universität Heidelberg. Gleichzeitig steht der Familienname "Engelhorn" für einen der größten Steuerbetrugsfälle, den es in Deutschland je gab. Über ein komplexes Finanzgeflecht sollen die beiden Töchter Carolin und Elisabeth Engelhorn den Fiskus um einen dreistelligen Millionenbetrag gebracht haben, wofür sie den bayrischen Finanzbehörden 2016 Steuern in Höhe von rund 145 Millionen Euro nachzahlten. Die jüngsten Enthüllungen in Sachen "Paradise Papers" von Süddeutscher Zeitung (SZ), NDR und WDR lassen jedoch vermuten, dass der Fall damit noch nicht abgeschlossen sein könnte.

Nur einen Teil im Blick

Bislang war bekannt, dass der 2016 verstorbene Curt Engelhorn seinen Töchtern über Trusts und Briefkastenfirmen im Ausland ein Millionenvermögen geschenkt hat. Die entsprechende Schenkungssteuer haben die Engelhorns dafür jedoch nie entrichtet. Anwälte und Staatsanwaltschaft hatten sich im Dezember 2015 deshalb auf die Steuernachzahlung geeinigt. Damals hieß es in einer Erklärung zu der Verständigung, "dass sich mit einem vertretbaren Arbeits- und Zeitaufwand der Sachverhalt nicht weiter aufklären lasse". Die Recherchen von SZ, WDR und NDR ergaben nun, dass die Ermittler damals tatsächlich wohl nur von einen Teil der Trusts und Briefkastenfirmen der Familie Engelhorn wussten. Mit mindestens 82 Trusts, Stiftungen oder Briefkastenfirmen sollen die Engelhorns in Verbindung stehen. Laut "Paradise Papers"-Recherchen sollen die beiden Töchter bei mindestens einer dieser Stiftungen - sie trägt den Namen Angel Foundation - als Begünstigte geführt werden. Nun stellt sich die Frage, ob der Fall neu aufgerollt werden muss. Ein Sprecher der zuständigen Augsburger Staatsanwaltschaft nannte gestern dieser Zeitung zu dem Fall keine Fakten und berief sich auf das Steuergeheimnis.

Auch erscheint nun die Förderung der Reiss-Engelhorn-Museen in einem anderen Licht. 2001 hatte Curt Engelhorn für das Museum 40 Millionen Mark (20 Millionen Euro) gestiftet und das Kapital zunächst über zehn Jahre eingezahlt, es dann noch einmal auf 25 Millionen Euro aufgestockt. Das Reiß-Museum - so der Name vor der Spende Engelhorns - war vorher ein Stadtmuseum, ein bisschen behäbig und verstaubt, ohne finanzielle Spielräume. Dank der Spende wurde daraus ein national renommierter und international vernetzter Forschungs- und Ausstellungskomplex.

Dazu rief der Unternehmer die Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen als Stiftung nach deutschem Recht und mit Sitz in Mannheim ins Leben - laut Satzung ausschließlich zur Unterstützung der Aktivitäten der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim gegründet. Das Geld kam, so der Generaldirektor des Museums, Alfried Wieczorek, über die Angel Foundation "in mehreren Stückelungen" - jene Stiftung, die nun auch in den "Paradise Papers" auftaucht. Sie seien jeweils von Monte-Carlo in Monaco aus überwiesen worden. Absender: die Angel Foundation.

Was diese Stiftung sonst mache oder wen sie unterstütze, wisse er nicht. "Es ist eine ausländische Stiftung und wir gehen zunächst davon aus, dass das alles in Ordnung ist und von den jeweiligen Aufsichtsbehörden am Sitz der Stiftung kontrolliert", so Wieczorek. Auch in Mannheim sei die Gründung der Stiftung ja von Stadtverwaltung und Gemeinderat positiv aufgenommen, die Namensänderung von "Reiß-Museum" in "Reiss-Engelhorn-Museen" vom Gemeinderat beschlossen und die Errichtung der Curt-Engelhorn-Stiftung von den Aufsichtsbehörden genehmigt worden, betont Wieczorek. In Mannheim war 2001 vereinzelt auch Kritik aufgekommen. Schließlich erfolgte 1997 der Verkauf der Firma Boehringer Mannheim an den Schweizer Pharma-Konzern Roche weitgehend steuerfrei - abgewickelt über eine Holding auf den Bermudas. Das war in Mannheim bitter aufgestoßen. Doch es war seinerzeit völlig rechtens und sicherte die Arbeitsplätze in der Stadt. Der Quadratestadt seien, so damals interne Berechnungen der Stadt, dadurch zwar 50 Millionen Mark (also heute 25 Millionen Euro) an Steuern entgangen. Doch letztlich hat Engelhorn das Geld auf Umwegen doch Mannheim zukommen lassen - eben zweckgebunden für das Museum.

Bis zu seinem Tod war Curt Engelhorn Vorsitzender des Stiftungsrates, dann übernahm seine Witwe Heidemarie. Doch beide, so erzählen Teilnehmer der Sitzungen, hätten die Treffen stets nur formal eröffnet, kurz zur Begrüßung gesprochen und dann die Sitzungsleitung an den stellvertretenden Vorsitzenden übergeben - Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz. Er selbst oder die Curt-Engelhorn-Stiftung verfügten sonst "über keinerlei andere Kontakte zur Angel Foundation", unterstreicht Wieczorek. "Deshalb können und wollen wir uns zu den nun aufgeworfenen Mutmaßungen nicht weiter äußern", sagt der Generaldirektor.

Seit 2013 fließe ohnehin kein Geld mehr von Curt Engelhorn; die Stiftung lebt nur von Erträgen des Vermögens oder der Vermarktung ihrer Ausstellungen in anderen Städten oder Ländern. Curt Engelhorns Witwe habe zwar nach dem Tod des Mäzens und Klärung aller Erbschaftsangelegenheiten noch weitere Mittel in Aussicht gestellt, noch sei aber nichts eingegangen. Schon die Berichterstattung der vergangenen Jahre zu den Vorwürfen der Steuerhinterziehung gegen die Töchter von Engelhorn "hatte uns schwer getroffen, weil uns bereits zugesagte Drittmittel mit Verweis auf diese Situation nicht gewährt wurden", gesteht Wieczorek ein. Auch wegen der "Paradies Papers" befürchtet er daher einen Imageschaden. "Ja, natürlich, ganz klar", so der Generaldirektor, denn auch wenn das Museum gar nicht direkt betroffen und bei der Curt-Engelhorn-Stiftung alles rechtlich korrekt und behördlich genehmigt sei, werde der Name nun in diesem Zusammenhang genannt.

Nicht nur für das Mannheimer Museum hatte sich Curt Engelhorn engagiert. Durch seine amerikanische Mutter und das Studium in Texas motiviert, förderte er intensiv die Amerikastudien an der Universität Heidelberg. Dazu zählte der Aufbau einer Bibliothek für Amerikanische Geschichte, des Curt-Engelhorn-Lehrstuhls für Amerikanische Geschichte, schließlich das ganz neue Heidelberg Center for American Studies (HCA) mit seinem Domizil - dem Curt und Heidemarie Engelhorn Palais. 2011, aus Anlass der 625-Jahr-Feier der Ruperto Carola, erhielt die Aula der Neuen Universität ein neues Gesicht und eine neue Orgel. Die Gelder flossen auch über eine Angel Foundation - aber nicht aus Monaco. Hierfür zeichnet vielmehr die Angel Foundation gGmbH verantwortlich. Marietta Fuhrmann-Koch, Sprecherin der Universität, bestätigte, dass seit 2004 über eine gemeinnützige Einrichtung namens "Angel Foundation" mit Sitz in Mannheim das HCA in Forschung und Lehre gefördert wird. Zu neuen Vorwürfen gegen das Ehepaar Engelhorn könne man aber keine Stellung beziehen.

Kritik an der Bundesregierung

Die Angel Foundation gGmbh hat ihren Sitz im Mannheimer Quadrat L 11, wie die Kanzlei von Rechtsanwalt Klaus Dieter Freund. Er gilt als enger Vertrauter und Berater von Curt Engelhorn und war auch sein Kontaktmann in die Region, als dieser in den letzten Jahren bis zu seinem Tod aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aus der Schweiz in die Kurpfalz reisen konnte. Freund war gestern aber auf Anfrage dieser Zeitung nicht zu erreichen, sondern - wie es hieß - den ganzen Tag in einer Sitzung. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen und Abgeordneter für Mannheim, macht die schwarz-rote Bundesregierung mit dafür verantwortlich, dass Steueroasen genutzt werden können. "Wir müssen jetzt die Maßnahmen für mehr Transparenz durchsetzen, die ja schon seit längerem in der Schublade liegen, von der alten Bundesregierung jedoch blockiert wurden."

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