Angst steckt an – Mut aber auch

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© Pete Linforth

Viele Menschen sind derzeit von allerlei Ängsten geplagt. Durch die Medien werden immer mehr berichte dazu veröffentlicht. Existenzangst, Angst anderen nicht gerecht zu werden, Angst zu erkranken oder nicht mehr gesund zu werden, Angst vor Ansteckung u.v.m. Wie gelingt es Ängste in den Griff zu bekommen oder zumindest so zu handhaben, dass man nicht komplett von diesem Gefühl beherrscht wird?   

Die Erkenntnisse einer pflegenden Angehörigen - Frau G. erläutert ihre Sicht der Dinge

Wenn man pflegt, hat man meistens eine gewisse Grundunruhe. Das bleibt nicht aus, denn man weiß nie, was der Tag bringt und ob sich eine Krankheit verschlechtert oder nicht. Ich hatte immer ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich das Telefon klingeln hörte und das war lange Zeit so, auch nachdem meine Mutter bereits verstorben war. Das Adrenalin schoss mir in die Adern und es war kein angenehmes Gefühl. Man bekommt ja nicht gleich die Gebrauchsanweisung mitgeliefert, wie man solch eine Situation bestmöglich handhabt. Ich hatte so manches Mal Bedenken, ob ich das richtige tue und wohin das alles führt. Die Unsicherheit, was die Zukunft bringt ist eine der Gründe, warum man Ängste entwickelt.  

Der Unsicherheit begegnen

Wichtig ist sich klar zu machen, was man selbst tun kann, um ein wenig Sicherheit zu erlangen. Das kann man in der Pandemiezeit, in dem man sich und seine Liebsten bestmöglich schützt. Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln einhalten, Menschenansammlungen so gut es geht vermeiden und Kontakte generell auf ein Minimum beschränken. Das sind Maßnahmen, die Sie selbst in der Hand haben. Aber das Leben ist nun mal nicht planbar und es gibt immer Restrisiken, die unvorhersehbar sind. Damit müssen Sie sich einfach abfinden. Wir können nicht alles kontrollieren. Hadern Sie nicht mit dem Schicksal, wenn es doch nicht so läuft, wie geplant oder wenn Sie oder Vertraute doch erkranken sollten. Sie sollten sich dann immer vor Augen halten, dass Sie alles Menschenmögliche getan haben, um das Risiko einer Erkrankung zu vermindern.     

100% Sicherheit gibt es nicht

Das Leben ist nicht vorhersehbar und 100% Sicherheit gibt es nicht. Und ja, manche Menschen sind etwas ängstlicher und manche sind weniger ängstlich. Beide Ansätze haben Vor- oder Nachteile, besonders als pflegender Mensch. Wenn Sie weniger ängstlich sind, und sich nicht über alles Gedanken machen, sind Sie wahrscheinlich auch etwas entspannter und gelöster, glauben daran, dass sich alles in irgendeiner Weise fügt. Diese Haltung kann aber darin resultieren, dass Sie vielleicht zu sorglos werden und Offensichtliches zur Seite schieben. Am Ende geraten Sie in Bedrängnis, wenn Sie sich z.B. nicht rechtzeitig um einen Heimplatz oder um die Beantragung eines Pflegegrads gekümmert haben.

Ängstliche Menschen sind sehr auf Details und Planungssicherheit bedacht können sich aber darin auch regelrecht verlieren. Doch gerade die Kleinigkeiten oder dass man eine Angelegenheit von verschiedenen Perspektiven aus ‚mikroskopisch‘ betrachtet kann zu einem besser durchdachten Handlungsstrang führen. In der Realität bedeutet dies z.B., dass man sich nicht darauf verlässt, wenn man auf der Warteliste eines Pflegeheims steht, sondern regelmäßig nachfragt, ob man immer noch berücksichtigt wird. Bei Krankheitsdiagnosen sind ängstliche Menschen vielleicht eher ‚Arzthörig‘ wohingegen weniger ängstliche Menschen eher bereit sind noch andere Meinungen einzuholen oder verschiedene Therapiemöglichkeiten auszuprobieren.

Die Mischung macht‘s

Jeder Mensch ist einzigartig und wir sollten bereit sein die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Auch vermeintlich ‚negative‘ Eigenschaften können in bestimmten Lebenssituationen zu positiven Eigenschaften werden und umgekehrt. Die Mischung macht‘s – wie so oft. Eine gute Balance zu finden zwischen mutiger Begegnung einer neuen Lebenssituation und einer vorsichtigen Herangehensweise und bestmöglicher Analyse ist garantiert von Vorteil.

Und doch: Seien Sie fürsorglich mit sich und der Umwelt. Hadern Sie nicht mit Ihren Eigenschaften, wenn Sie bis dato gut mit Ihnen zurechtgekommen sind. Lassen Sie sich nichts von anderen einreden, aber hören Sie gut zu, denn in jeder Botschaft stecken Hinweise und Möglichkeiten, Situationen verändern zu können.

Begegnen Sie der heutigen Situation mit Corona als pflegender Mensch oder Risikopatient mit Vorsicht aber nicht mit übertriebener Angst. Falls Sie alleine damit nicht zurechtkommen sollten holen Sie sich bitte Hilfe oder sprechen Sie mit Gleichgesinnten. Gemeinsam ist vieles einfach zu ertragen und Türen öffnen sich, die man für verschlossen wähnte.

Ein Tipp zum Abschluss: Die Deutsche Depressionshilfe geht auf die Probleme von Menschen mit seelischen Problemen besonders in der Pandemiezeit sehr gut ein. Hier finden Sie u.a. Tipps und Informationen, wo Sie sich Hilfe holen können. Auch Selbsthilfegruppen helfen sehr in dieser Situation, da man in einem geschützten Raum Gleichgesinnte trifft. Hier einen Überblick über Gruppen in Mannheim und hier noch einen Link zu Selbsthilfegruppen in der Rhein-Neckarregion.

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