Die E-Zigarette

Eine Erfolgsgeschichte mit Stolpersteinen

Von der breiten Öffentlichkeit wird die E-Zigarette als ein vergleichsweise junges Produkt wahrgenommen. Entsprechend skeptisch sind die Deutschen bei der Beurteilung des Produkts.

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Dass die E-Zigarette eine mehr als fünfzigjährige Geschichte hat, ist weitgehend unbekannt. Wer sich etwas näher mit der Entwicklung befasst, erkennt, dass die Geschichte der E-Zigarette trotz einiger Rückschläge eine Erfolgsgeschichte ist.

Die Geschichte der E-Zigarette

Als Herbert A. Gilbert 1963 eine elektrische Zigarette zum Patent anmeldete, konnte vermutlich niemand erahnen, welche Bedeutung diese Erfindung einmal erlangen könnte. Bis zur E-Zigarette, wie sie heute in vielen Ländern der Welt millionenfach zum Einsatz kommt, war es jedoch ein weiter Weg mit zahlreichen Stolpersteinen. Den Weg in die Produktion schaffte der 'rauchlose Zigarette', wie Gilbert seine Erfindung nannte, jedoch nicht. Mehrere Patente folgten, die sich mit dem Verdampfen und dem Inhalieren von Nikotin beschäftigten. Manche dieser Entwürfe und Zeichnungen wiesen bereits eine deutliche Ähnlichkeit mit modernen E-Zigaretten auf.

Der eigentliche Durchbruch gelang Hon Lik. Der chinesische Apotheker gilt als Erfinder der E-Zigarette. Er war es, der 2004 die erste elektronische Zigarette für den chinesischen Markt produzierte. Der weltweite Export startete kurze Zeit später. Einen deutlichen Unterschied zur heute gebräuchlichen E-Zigarette gab es: Statt der batteriebetriebenen Heizspirale nutzte Hon Lik den piezoelektrischen Effekt, um das nikotinhaltige Liquid zu verdampfen. Die elektrische Zigarette, die unter dem Namen Ruyan vertrieben wurde, fand schnell Liebhaber. Der Name lässt sich mit 'ähnlich wie das Rauchen' übersetzen. Warum gelang einem chinesischen Apotheker, was selbst große Tabakhersteller vergeblich versuchten? Der Vater des Erfinders, der genau wie Hon Lik stark rauchte, war an Lungenkrebs verstorben. Um diesem Schicksal zu entgehen, suchte der Apotheker nach einer gesünderen Alternative zum Tabakrauchen - und fand sie. Das nikotinhaltige Liquid hatte starke Ähnlichkeit mit Tabakrauch, ist jedoch wesentlich gesünder. In finanzieller Hinsicht war die Erfindung für Hon Lik jedoch kein großer Erfolg. Seine Erfindung wurde in anderen Ländern heimlich kopiert und verbreitete sich auf diesem Wege rasch über die ganze Welt.

In den folgenden Jahren wurde die E-Zigarette immer weiter entwickelt, um den Bedürfnissen der Kundschaft immer besser zu genügen. Heute sind die meisten E-Zigaretten mit einem nachfüllbaren Liquid-Tank ausgestattet. Dass die E-Zigarette sich seit Jahren wachsender Beliebtheit erfreut, hat unter anderem auch damit zu tun, dass das Erscheinungsbild im Laufe der Zeit immer ästhetischer wurde. Regelbare Akkus, Liquids mit verschiedenen Aromen und Nikotingehalten ermöglichen es heute, dass jeder Konsument sein Dampferlebnis individuell gestalten kann.

 

Konkurrenz für die Tabakindustrie

In den ersten Jahren belächelten viele die E-Zigarette. Doch die Idee fand schnell Verbreitung, wie sich an den Umsatzzahlen der Branche deutlich ablesen lässt. Allein in Deutschland gibt es heute bereits fast 2,5 Millionen Dampfer. Da das Interesse an E-Zigaretten weltweit kontinuierlich wächst, musste die Tabakindustrie nach anfänglichem Warten auf die zunehmende Konkurrenz reagieren. Heute sind mehrere große Tabakkonzerne im Bereich der E-Zigaretten aktiv. Einige entwickelten eigene Produkte, andere kauften Unternehmen und deren Produkte einfach auf. Für die Community ist diese Entwicklung vorteilhaft. Sie kann aus einem sehr breiten Angebot wählen. Jeder kann heute die E-Zigarette und das Liquid auswählen, das exakt zu seinen Wünschen passt. Ein Ende dieser rasanten Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Kunden dürfen sich immer wieder auf innovative Produkte freuen.

 

Verunsicherung der Verbraucher durch Negativ-Meldungen aus den USA

Bis 2018 schien es, als hätte die E-Zigarette auch in unserem Land den endgültigen Durchbruch geschafft. Von 2012 bis 2018 durfte sich die aufstrebende Branche Jahr für Jahr über zweistellige Zuwachsraten freuen. 2018 erreichte der Umsatz mit E-Zigaretten und Liquids in Deutschland mit weit mehr als 500 Millionen Euro sein bisheriges Rekordhoch. Dieser Höhenflug endete jäh, als 2019 aus den Vereinigten Staaten Meldungen über mysteriöse Todesfälle kamen, die zunächst mit dem Konsum von E-Zigaretten in Verbindung gebracht wurden. Nach Angaben der US-Behörde für die Seuchenkontrolle und -prävention wurden in 49 Bundesstaaten mehrere Fälle schwerer Lungenerkrankungen registriert und es gab in diesem Zusammenhang vermutlich 29 Tote. Es hieß, alle Erkrankten hätten Liquid-Verdampfer genutzt.

Weltweit berichteten fast alle Medien über die sogenannte EVALI-Krise. Diese erschütternden Berichte schickten auch hierzulande reichlich Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Selbst in den Nachrichtensendungen unserer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten waren die beunruhigenden Todesfälle ein Thema. Als sich jedoch später herausstellte, dass die Betroffenen keine E-Zigaretten, sondern E-Joints konsumierten, interessierte sich kaum ein Journalist für diese wichtige Erkenntnis der US-amerikanischen Ermittler. Das ist umso bedauerlicher, da lebensgefährliche E-Joints mittlerweile auch den Weg auf den deutschen Schwarzmarkt gefunden haben.

 

Unterschied zwischen E-Zigarette und E-Joint

Der Verband des eZigarettenhandels (VdEH) hingegen reagierte sofort mit einem ausführlichen Informationsschreiben und warnte vor den illegalen Produkten. Obwohl E-Zigarette und E-Joint auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufweisen, gibt es einen entscheidenden Unterschied, wie Michal Dobrajc, der Vorsitzende des VdEH, erklärt. Er weist darauf hin, dass die Herstellung von E-Zigaretten und Liquids in Deutschland streng reguliert ist und gesetzlich überwacht wird. E-Joints hingegen enthalten einen Cocktail von Betäubungsmitteln und anderen gesundheitsschädigenden Stoffen, wie die gründliche Untersuchung der tragischen Fälle in den USA aufdeckte.

Besonders gefährlich sind E-Joints, weil bei der Herstellung der THC-haltigen Öle, die im E-Joint verdampft werden, zähflüssige Streckmittel zugesetzt werden. Die Ermittler fanden in den THC-haltigen Liquids Vitamin-E-Acetat. Diesen Stoff setzen gewissenlose E-Joint Produzenten dem Liquid zu, um dem Konsumenten einen höheren THC-Gehalt vorzugaukeln. Sie betrügen ihre Kunden und setzen vor allem deren Gesundheit aufs Spiel. Werden fette Öle inhaliert, kann das im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Lipidpneumonie hervorrufen.

Bei der Herstellung von E-Zigaretten hingegen kommen solche gefährlichen Stoffe nicht zum Einsatz. Der Gesetzgeber verbietet es explizit, nikotinhaltigen Liquids Vitamine zuzusetzen. Wer in Deutschland frei verkäufliche Liquids für seine E-Zigarette erwirbt, braucht keine Komplikationen, wie sie beim Genuss von E-Joints auftreten können, zu befürchten. Zu diesem Schluss kommen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ebenfalls. Die renommierten Institutionen weisen die Verbraucher darauf hin, dass zwischen der E-Zigarette und den E-Joint bedingten Erkrankungen beziehungsweise Todesfällen in den Vereinigten Staaten keine Verbindung herzustellen ist.

 

Konsumenten sind verunsichert (h3)

Setze ich mein Leben aufs Spiel, wenn ich den aromatischen oder nikotinhaltigen Dampf einer E-Zigarette genieße? Das hat sich vermutlich jeder Dampfer gefragt, als er immer wieder von den Todesfällen in den USA hörte. Mancher reagierte in seiner Verunsicherung sofort und griff statt zur E-Zigarette wieder zum Glimmstängel. Das lässt sich an den Umsatzzahlen der Händler von E-Zigaretten erkennen. Nach einer jahrelangen Aufwärtsbewegung sank der Umsatz vom Vorjahreshoch, das bei mehr als 500 Millionen Euro lag, 2019 auf 480 Millionen Euro.

Der VdEH schätzt, dass 150.000 Konsumenten wegen der EVALI-Krise von der E-Zigarette zur Tabakzigarette wechselten. Nach Ansicht des VdEH-Vorsitzenden ist diese Entwicklung eine Folge der einseitigen Berichterstattung der Medien. Einseitig berichtende Medien seien mitverantwortlich dafür, dass die Zahl der Raucher wieder angestiegen ist. Diese Entwicklung sei paradox, da es mittlerweile unter allen Fachleuten Konsens ist, dass die E-Zigarette aus gesundheitlicher Sicht die bessere Alternative ist.

 

COVID19 trifft die Branche

Unmittelbar nach der EVALI-Krise traf die jahrelang erfolgsverwöhnten Produzenten und Händler von E-Zigaretten und Liquids ein weiterer Schlag. Die Corona-Pandemie wirkte sich auf den Absatz von E-Zigaretten und Liquids negativ aus. Bei diesem Einbruch des Umsatzes spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Der überwiegende Teil der 'Hardware' in diesem Metier wird in China hergestellt. Der harte Lockdown in den chinesischen Städten brachte die Produktion von E-Zigaretten vollständig zum Erliegen. Als die Welle der Erkrankungen abflaute und die Arbeiter und Arbeiterinnen wieder in die Fabriken durften, erwies sich die Logistik als Bremse. Beim Versand kam es zu erheblichen Verzögerungen. Zusätzlich schossen die Transportkosten in die Höhe. Das wiederum wirkte sich auf die Einkaufspreise aus, sodass die Kunden beim Einkauf von E-Zigaretten nun etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. Da viele wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, ändert sich oft auch das Einkaufsverhalten. Viele beschränken sich momentan auf den Kauf von Verbrauchsmaterialien. Das hat zur Folge, dass innovative Produkte mit zeitlicher Verzögerung auf dem deutschen Markt Einzug halten. 

Besonders hart traf es die Händler vor Ort. Da sie in den meisten Bundesländern nicht als Grundversorger eingestuft wurden, mussten sie ihre Geschäfte lange Zeit schließen. Das war nicht nur für die Händler, sondern auch für ihre Kunden ein Problem.

Der Handel mit E-Zigaretten und Liquids liegt in Deutschland zum überwiegenden Teil in der Hand von kleinen und mittleren Unternehmen. 96 Prozent des Geschäfts werden von inhabergeführten Fachgeschäften mit maximal sechs Filialen abgewickelt.

Viele engagierte Händler sind selbst passionierte Dampfer, die nicht nur den Genuss schätzen, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen auf die E-Zigarette umgestiegen sind. Sie vertrauen auf zahlreiche wissenschaftliche Studien, die eindeutig zu dem Schluss kommen, dass die gesundheitlichen Risiken beim Dampfen erheblich geringer sind als beim Einatmen der Verbrennungsprodukte von Tabak. Britische Forscher quantifizierten diese These sogar. Sie ermittelten, dass die gesundheitlichen Risiken beim Wechsel vom Tabakrauchen zur E-Zigarette um bis zu 95 Prozent verringert werden (Quelle: London: Public Health England (2015): A. McNeill, LS. Brose, R. Calder R, SC. Hitchman "E cigarettes: an evidence update. A report commis-

sioned by Public Health England).

 

Jedes vierte Unternehmen fürchtet um seine Existenz

Nachdem 88 Prozent der Fachgeschäfte bereits 2019 Umsatzeinbußen zu verkraften hatten, wurde die wochenlange Zwangspause für viele Firmen zum existenziellen Problem. Nach ersten Schätzungen büßten die Händler wegen der Corona-Krise etwa 20 Prozent ihres Umsatzes ein. Es ist zu befürchten, dass jede vierte Firma die zweite Krise innerhalb weniger Monate nicht verkraftet und das Geschäft schließen muss. Zwei Filialketten wurden bereits von der Konkurrenz übernommen. Dabei geht es nicht nur um geplatzte Träume von engagierten Unternehmern, sondern auch um Tausende Arbeitsplätze.

 

Branche blickt positiv in die Zukunft

Trotz der Widrigkeiten in der jüngsten Vergangenheit blickt die Mehrzahl der Firmen optimistisch in die Zukunft. Das ergab eine Umfrage, die das Bündnis für tabakfreien Genuss e.V. durchführte. Zwei Drittel der 600 Befragten bewertet die Zukunftsaussichten als 'gut' oder sogar 'sehr gut'. Dass die Hoffnung der arg gebeutelten Branche berechtigt sein dürfte, zeigte sich, als die Geschäfte nach der erzwungenen Schließung endlich wieder öffnen konnten. Die meisten Händler durften sich über einen großen Andrang in ihren Geschäften freuen. Die relativ hohen Umsätze lassen den Schluss zu, dass viele Liebhaber der E-Zigarette ihren Bedarf während des Lockdowns offensichtlich nicht in vollem Umfang decken konnten. Zwar waren während dieser Zeit viele Kunden bei der Beschaffung von E-Zigarette und Liquid auf den Online-Handel ausgewichen. Doch die Online-Shops hatten selbst Probleme, da alle Logistikdienstleister während der Pandemie ebenfalls an ihre Grenzen stießen.

An die Zukunft der Branche glauben Fachleute auch deshalb, weil in der Gesellschaft allmählich ein Umdenken zu beobachten ist. Heute wird die Zahl der Dampfer auf etwa 2,4 Millionen geschätzt. Die Mehrzahl derjenigen, die zur E-Zigarette greifen, hat zuvor Tabak geraucht. Dass der Rauch von Tabakzigaretten die Entstehung von Krebs begünstigt und Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems verursachen kann, ist selbst passionierten Rauchern bewusst. Viele würden sich das Rauchen deshalb gerne abgewöhnen – im Vergleich zu früheren Jahren werden Zigaretten immer unbeliebter. Mit herkömmlichen Mitteln wie Nikotinpflastern und -kaugummis ist das jedoch äußerst schwierig.

Deutlich höher ist die Erfolgsrate beim Umstieg auf die E-Zigarette. Darum wird der Einsatz von E-Zigaretten beispielsweise in Großbritannien von Ärzten und der Gesundheitsbehörde offensiv beworben. In Deutschland ist die Politik bisher noch deutlich zurückhaltender. Es lassen sich jedoch auch in diesem Bereich Fortschritte erkennen. Überwog vor einigen Jahren die vehemente Ablehnung der E-Zigarette, lässt sich allmählich eine vorsichtige Annäherung erkennen.

In Deutschland sind etwa zwölf Millionen Männer und Frauen vom Tabakkonsum abhängig. Viele von ihnen leiden unter ihrer Sucht und sind sich der gesundheitlichen Risiken des Rauchens bewusst. Wer auf E-Zigarette umsteigt, hat eine deutlich höhere Chance, von der Tabakzigarette loszukommen. Das belegen internationale Studien. Gelingt der Rauchstopp, ist das das nicht nur für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft von Vorteil. Die Behandlung von Erkrankungen, die auf das Konto des Tabakrauchs gehen, verschlingen Jahr für Jahr riesige Summen. Es wäre also im Interesse aller, den Wechsel vom Tabak zur E-Zigarette zu propagieren. Noch besser ist es, gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen. Erfreulicherweise sinkt die Zahl der Jugendlichen, die rauchen, seit Jahren. Die Aufklärung über die Schädlichkeit des Rauchens scheint also Wirkung zu zeigen.

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