Mannheim. Als sich um kurz vor 14 Uhr ein zerfledderter Zombie aus dem blau-schwarzen Rauch über den stilisierten Gräbern an der Otto-Siffling-Tribüne des Carl-Benz-Stadions erhob, konnte das noch als halbwegs originelle Fan-Choreografie durchgehen, wie man sie auch aus anderen Fußball-Stadien mit begeisterungsfähigen Fans kennt. Doch keine 90 Minuten später herrschte der echte Horror beim Relegationsrückspiel zwischen dem SV Waldhof und dem KFC 05 Uerdingen: Rauchschwaden, ohrenbetäubende Böller, Blendraketen, bengalisches Feuer – angesichts dieses Infernos hatte Schiedsrichter Patrick Ittrich aus Hamburg keine andere Wahl mehr, als die Partie beim Stand von 1:2 (1:2) für Uerdingen zunächst zu unterbrechen. Doch selbst die Appelle von Sportchef Jochen Kientz und Trainer Bernhard Trares zeigten keine Wirkung. Auch sie bekamen weitere Raketen vor die Füße geschossen, ebenso wie die Mannschaften, die nach einer fast 20-minütigen Unterbrechung wieder auf den Platz kamen. Der Abbruch war spätestens hier alternativlos. Die Relegationsrunde Richtung 3. Liga hatte ihren handfesten Skandal.
„Es ist schade für den Club, dass es so zu Ende geht. Genau diese Fans, die das heute gemacht gehaben, haben uns die ganze Saison sensationell unterstützt. Deshalb macht es mich umso trauriger, dass diese Gruppe die Nerven verloren hat. Man muss auch mit Anstand verlieren können“, kommentierte Trainer Trares die Vorkommnisse. Dass Uerdingen sich nach Toren von Maximilian Beister (29.) und Tanju Öztürk (39.) auch sportlich verdient durchgesetzt hätte, war da schon lange kein Thema mehr. Der Treffer von Waldhof-Stürmer Patrick Mayer (32.) war zu wenig, Pechvogel Gianluca Korte hatte zuvor nur den Pfosten (37.) getroffen.
Aufgeschaukelt hatten sich die Spannungen schon in der ersten Halbzeit, als Uerdinger Ultras nach dem Ausgleich auf der West-Tribüne auf Waldhof-Fans losgingen und die Polizei erstmals gefordert war. Zahlreiche Ordner versuchen einzugreifen, es gab erste Verletzte auf den Rängen. Polizeisprecher Christoph Kunkel sprach auf Anfrage dieser Zeitung von „sinnlosen Angriffen ohne jedes Maß“.
Als die Lage für den SVW sportlich aussichtslos war, verfolgten dann die Randalierer auf der Ost-Tribüne ihren Plan, einen Spielabbruch zu provozieren. In einigen Internet-Foren wurde das offenbar schon vorab verabredet, es hagelte Pyro-Technik in rauen Mengen. „Ich weiß auch nicht, wie die so viel Zeugs ins Stadion bringen können. Das verstehe ich nicht“, fragte sich Coach Trares. Nach Informationen dieser Zeitung fand in der Nacht zum Samstag eine Grillparty der Waldhof-Ultras im Stadion statt – eine perfekte Gelegenheit, verbotenes Material zu deponieren.
Sören Runke, Vorstand des Fan-Verbands Pro-Waldhof, zeigte sich schockiert. „Das war völlig unwürdig. Diese Aktionen müssen von A bis Z geplant gewesen sein“, vermutete Runke. Offensichtlich war zudem, dass auf der „Ost“ nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe ganz bewusst so handelte, vom Rest der Fans aber nicht an ihrem Tun gehindert wurde. Bevor die Mannschaften auf den Platz zurückkamen und sich die Lage kurzzeitig beruhigt hatte, stand der schwarz vermummte Pulk provokativ in der Mitte der Ränge.
Damit dürfte auch die Strategie einer selbstverwalteten Fan-Kurve in Frage stehen, die Selbstreinigungskräfte im blau-schwarzen Fan-Lager reichen ganz offenbar nicht aus, um solche Geschehnisse zu unterbinden.
„In anderen Stadien funktioniert das auch. Diese Chaoten gehören aber definitiv nicht zum SV Waldhof“, betonte Geschäftsführer Markus Kompp nach dem Desaster und verteidigte die Entscheidung, nicht massiv mit Ordnungskräften oder der Polizei im Block einzugreifen. „Bei Gewalt ist das eine andere Sache, aber bei Böllerwürfen können wir das für alle Seiten nicht verantworten. Da stehen immerhin auch noch richtige Fans des SVW. Das wirkt dann noch eher eskalierend“, meinte Kompp, der von „Idioten“ sprach, „die es einfach nicht raffen“.
Polizeisprecher Kunkel fand ebenfalls deutliche Worte: „Der Einsatz solcher Raketen ist nicht nur durch Stadionordnung und das Sprengstoffgesetz verboten, sondern auch hochgefährlich. Inwiefern Verstöße vorliegen, werden wir durch die Sichtung von vorhandenem Videomaterial so schnell wie möglich prüfen.“
Obwohl starke Kräfte der Polizei auch nach der Partie dafür sorgten, dass sich Mannheimer und Krefelder nicht zu nahe kamen, kam es auch auf der Abreise der KFC-Fans immer wieder zu Rangeleien, die an der Theodor-Heuss-Anlage in Flaschen- und Steinwürfen gegen Polizisten gipfelten. In wie vielen Körperverletzungsdelikten genau ermittelt wird, war am Sonntagabend noch unklar. Fest stand nur, dass sich der SVW einmal mehr viel Kredit für eine bessere Zukunft verspielt hatte. Was hängenblieb, war die hässliche Zombie-Fratze vom Auftakt des gruseligen Spektakels. (Mitarbeit: Markus Mertens)
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