"Biere mit Ecken und Kanten"

Von 
B. Eschbacher und T. Junker
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Wer hätte gedacht, dass sich im Bier Zitrusaromen oder würziger Koriander herausschmecken lassen? Beim "Badisch Gose" ist das so. Leicht und frisch schmeckt es, ein Sommerbier, aber auch mit ein paar besonderen Geschmacksnoten. Kein Allerweltsbier eben, sondern ein Craft Bier. Das sind Bierspezialitäten, die traditionell in Handarbeit, mit viel Aufwand und hochwertigen Rohstoffen hergestellt werden.

"Biere mit Ecken und Kanten", beschreibt das Hans Spielmann, Chef der Welde-Brauerei in Plankstadt. Genau diese Spezialitäten werden unter Bierkennern seit einiger Zeit immer beliebter, weil sie sich abheben von den Massenbieren aus Industrieproduktion. Und für mittelständische Brauereien wie Welde sind sie eine große Chance, neue Zielgruppen und Märkte zu gewinnen.

Die Deutschen trinken zwar immer weniger Bier, aber Kenner sind gerne bereit, für Craft Biere mehr als doppel so viel zu zahlen wie für herkömmliche Gerstensäfte - das bringt dem Hersteller höhere Margen in einem eigentlich schrumpfenden Markt.

Welde hat nun erstmals in diesem Jahr eine eigene Craft Bier-Edition herausgegeben, in kleinen braunen Vichy-Flaschen. Darunter das "Badisch-Gose", das Bockbier "Bourbon Barrel Bock" und das Lager "hop stuff".

Gose ist ein eigener alter Biertyp aus dem Harz. Das obergärige Weizenbier aus drei Hopfensorten wird mit Koriander und Salz verfeinert. Das Rezept hat Spielmanns Sohn Max, ein gelernter Bierbrauer, entwickelt. Wer das Bockbier aus der neuen Edition probiert, versteht gleich, warum im Welde-Keller inzwischen haufenweise Holzfässer liegen. Die kommen aus der Bourbon-, Tequila- und Rumproduktion, und darin lagert das Barrel Bock drei Monate lang. Besonders ist aber nicht nur die Lagerung: Welde-Braumeister Stephan Dück hat es - ähnlich wie beim Wein - zu einem Cuvée verschnitten.

Das Ungewöhnliche beim malzigen "hop stuff" wiederum sind die "exotischen" Hopfensorten, der australische Ellahopfen und der amerikanische Equinox. Ach ja, und das traditionelle Hopfenstopfen: Damit wird eine Hopfengabe bezeichnet, die erst nach der Hauptgärung erfolgt. Ein Verfahren, das im Zuge des Craft-Bier-Trends wiederentdeckt wurde.

Dieses Vorgehen wendet auch die Privatbrauerei Eichbaum bei ihrer Craft-Bier-Edition an. Das Mannheimer Unternehmen hat den Trend schon vor rund einem Jahr aufgegriffen. Anders als Welde hält sich Eichbaum mit der breiten Markteinführung der Spezialsorten allerdings derzeit noch zurück: Bisher werden die Eichbaum-Craft-Biere nur in den eigenen Brauhäusern des Unternehmens ausgeschenkt.

"Wir sehen das momentan noch nicht als echtes Geschäftsfeld, sondern eher als Spielerei", sagt Brauerei-Sprecher Holger Vatter-Schönthal. "Wir wollen bei dem Thema nun erst einmal weitere Erfahrung sammeln, schauen wie es ankommt und dann sehen wir weiter."

Drei Craft-Bier-Sorten hat Eichbaum im Moment im Sortiment - und auch hier geben schon die Produktbezeichnungen den Hinweis darauf, dass es sich um ganz spezielle Sorten handelt: der Name "Bouquet Blanc" - laut Eichbaum ein Starkbier mit Chardonnay-Note - klingt zunächst eher wie ein Wein. Gleiches gilt für die Sorte "Barrique Type", ein dunkles Doppelbock-Bier mit Barrique-Geschmack.

Das dritte Craft Bier, Exotic Zwickl, ist nach Eichbaum-Angaben ein naturtrübes Kellerbier, das geschmacklich unter anderem an exotische Früchte erinnert. "Craft Bier weicht deutlich vom normalen Biergeschmack ab. Das ist was für Liebhaber", so Vatter-Schönthal. Zunächst will die Mannheimer Brauerei ihre Craft Biere nun breiter in der Gastronomie einführen. Ein Verkauf über den Lebensmitteleinzelhandel ist dem Sprecher zufolge derzeit nicht geplant.

Ursprünglich entstand die Bewegung zum handwerklich und in kleinen Mengen hergestellten Bier übrigens in den Vereinigten Staaten. Kleine Brauereien wollten sich mit ungewöhnlichen Sorten von der Übermacht der großen Bierkonzerne absetzen, die durch immer neue Fusionen und Übernahmen weiter steigt.

Mit der Idee, sich von den Einheitsbieren der Branchenriesen durch besondere Sorten abzusetzen, hatten die kleinen Betriebe überraschend viel Erfolg, so dass auch Brauereien in Europa zu experimentieren begannen. Generell ist der Geschmack von Craft Bier stark ausgeprägt, es kann zum Beispiel nach Karamell, Schokolade oder fruchtig schmecken.

Dass die neue Craft-Bier-Edition von Welde nicht in der typischen geschwungenen Flasche der Plankstädter abgefüllt wird, hat einen praktischen Grund. Die besondere Flasche bringt im deutschen Pfandsystem Schwierigkeiten bei der Rücknahme. Deshalb ist der Markt für die klassischen Welde-Biere auch eher auf die Region begrenzt.

Die Craft Biere kommen aber in Pfandflaschen daher, die überall angenommen werden. Mit ihnen will Brauerei-Chef Hans Spielmann nun den nationalen Markt erobern.

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