Was Leser über die Kirchen und Privilegien denken

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Zum Kommentar "Uralte Zöpfe" von Caroline Blarr vom 25. Mai:

Frau Blarr hat mit ihren Aussagen vollkommen recht. Die Privilegien der Kirchen sind nicht nur längst überholt, sondern verstoßen eigentlich auch gegen die guten Sitten. Eine der reichsten Organisationen in diesem Land lässt sich von den Kommunen und Landtagen ihre Festivitäten subventionieren. Das kommt daher, dass in all diesen Gremien die Kirchenlobby in der Mehrzahl ist. Man schaue sich mal die Vitas der gewählten Leute an. Fast alle kommen aus Kirchenorganisationen oder sind bekennende Gläubige.

Das Erste, was nach der Wende von den damals gewählten Politikern gemacht wurde, war mit den beiden christlichen Kirchen einen Staatsvertrag abzuschließen. Obwohl die Bevölkerung zum weitaus überwiegenden Teil mit diesen Kirchen nichts am Hut hatte. Über das Verhalten und das Selbstverständnis der Kirchen im negativen Sinne könnte man ganze Romane schreiben, aber es genügt in diesem Falle, dass die Bereitschaft von Stadt und Land, Millionen zu diesem Ereignis zuzuschießen, ein Skandal ist. Die Kirchen haben mehr als genug Geld, da brauchen sie nicht noch den Steuerzahler belasten. Zum Schluss möchte ich Frau Blarr noch zu ihrem Mut gratulieren. In einem sich äußerlich als Kampfblatt für die christlichen Kirchen gerierenden Blatt solche Kommentare zu schreiben, bedarf schon einer gewissen Courage. Ich kann nur hoffen, dass sie dadurch keine Nachteile haben wird.

Seit Jahren ist zu beobachten, dass in den Medien die kirchlichen Feiertage mit keiner oder nur geringster Aufmerksamkeit bedacht werden. Offenbar können immer weniger Menschen nachvollziehen, was da als Anlass eigentlich gefeiert werden soll. Ungeachtet der kirchlichen Realpräsenz vermögen offenbar immer weniger Menschen, heute noch etwas mit diesen Mythen und Zurschaustellungen anzufangen.

Mit unerwarteter Deutlichkeit und lobenswertem Engagement wartet erfreulicherweise Ihre Kommentatorin Caroline Blarr auf. Das Erschütternde an ihren Feststellungen zu "Kirchen" ist, dass nichts davon irgendwie neu, nichts irgendwie überraschend oder nichts irgendwie überzogen wäre, sondern dass diese Erkenntnisse zur schlichten Allgemeinbildung und zum Allgemeinwissen gehören müssten. Es handelt sich um Erkenntnisse, mit denen man unter kritischen Menschen heutzutage keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.

Dem vorherrschenden und staatlich privilegierten klerikalen Mainstream gelingt es jedoch nach wie vor, alle kritischen Fragen zur Dogmatik, zu ihrer Finanzierung, ihrem Menschenbild etc. geschickt aus dem Blickfeld zu nehmen. So ist ein Lob für diesen kritischen Einwurf allemal gerechtfertigt. Wer noch Zweifel an den Aussagen hat, der lese Carsten Frerk, "Violettbuch Kirchenfinanzen - Wie der Staat die Kirchen finanziert" oder sein letztes Buch "Kirchenrepublik Deutschland - Christlicher Lobbyismus".

Erst da wird auch der ein oder andere, der sich für aufgeklärt hält, doch noch über Weiteres staunen können. In diesen Büchern findet man unzählige und nicht für möglich gehaltene Privilegien. Über den Sachstand kann sich nur wundern, wer nicht die enge Verflechtung von Politik und Kirchen zur Kenntnis nimmt. Die Allianz zwischen Thron und Altar steht schließlich in bewährter, fast 2000-jähriger Tradition. Sicherlich kann jeder glauben, was er will und jede Organisation mag vertreten, was sie will, solange sie mit der Verfassung in Einklang steht. Aber da beginnen die Probleme, wenn man genauer hinschaut.

Die Kommentatorin hat vollkommen recht damit, dass sie die unselige Aussage Böckefördes, dass der Staat zu seiner geistigen Ausrichtung der Religion bedürfe, auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Als geistige Orientierung bietet das Grundgesetz allemal mehr als ein Katechismus. Mir wird nicht bange, wenn sich jemand zu Recht auf das Grundgesetz beruft, aber ziemlich mulmig, wenn er sich auf einen Katechismus oder den Koran beruft.

Zu den Privilegien der Kirchen gehört nebenbei auch, dass sie ihre Meinungen in den Medien kostenlos verbreiten dürfen. Immer noch hält man die klerikalen Botschaften für staatstragend. Wer gibt Atheisten oder Freidenkern derartigen Raum, um ihre anderen und vielfach überprüfbaren Ansichten vorzustellen?

Auch in Ihrer Zeitung findet sich gewohnheitsmäßig das Geistliche Wort und in dieser Ausgabe mit der Überschrift "Christus ist hier". Bei allem Wohlwollen, das hier ein evangelischer Pfarrer dem katholischen Mummenschanz an Fronleichnam entgegenbringt, wird einem Leser auch mit diesem Artikel doch erkennbar bleiben, dass außer einer Hostie in einer Monstranz nichts weiter belegt, dass ein Christus hier irgendwo sei. Wer stets meint, einer Ökumene das Wort reden zu müssen, um vordergründigen christlichen Einklang zu zelebrieren, der sei daran erinnert, dass die katholische Kirche keine evangelische Kirche als gleichberechtigt anerkennt, sondern diese lediglich als Glaubensgemeinschaft zur Kenntnis nimmt. Wer es ernst mit Religion meint, wäre vermutlich sehr erstaunt bis befremdet, was er da an Weisheiten, Lehrsätzen und Dogmen geboten bekommt. Die meisten Menschen nehmen aber noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs wahr.

Sehr verwundert und erschrocken war ich ob der Unwissenheit und der Fahrlässigkeit, mit der Frau Blarr in ihrem Kommentar zum 100. Katholikentag die Forderung nach einer strikten Trennung zwischen Kirche und Staat stellt. In einem Wirrwarr aus Zahlen, Stammtischparolen, Berufung auf das Grundgesetz und vielen negativen Schlagworten versucht sie, die Amtsträger und die vielen Menschen, die sich in den Kirchen engagieren, zu diskreditieren.

Dass die Redaktion einer solch renommierten Zeitung so etwas abdruckt, ist schon seltsam. Als Laie bin ich nicht in der Lage, diese Anschuldigungen richtig zu erwidern, das würde auch den Rahmen eines Leserbriefes sprengen. Meines Ermessens nach wäre es dieses Thema aber wert, dass Ihre Zeitung ein öffentliches Forum mit den entsprechenden Podiumsteilnehmern veranstaltet. In der Region gibt es sehr viele Ehrenamtliche und Amtsträger, die Frau Blarr und anderen Interessierten die Realität aufzeigen können.

Frau Blarr beklagt sich im Rahmen des 100. Katholikentages mit Recht darüber, dass in Deutschland keine wirkliche Säkularität, also Trennung von Staat und Kirchen, existiert. Denn unser Staat - besser die Verantwortlichen, die sich an den Trögen der Macht und unseres Geldes ungeniert bedienen - beteiligt sich mit mehreren Millionen Euro unter anderem an dieser Veranstaltung.

Zur Unterstützung ihrer Argumentation hat sie aus der Mottenkiste unserer Gesetze, ähnlich dem der Majestätsbeleidigung, die sogenannten Staatskirchenleistungen herausgefischt, welche die rechtliche Grundlage für solche Zahlungen aus Steuergeldern sind. Dass sich die Kirchen als Arbeitgeber über soziale Regelungen hinwegsetzen und ihren Angestellten die Art und Weise zu leben vorschreiben möchte, ist genauso dreist und arrogant, wie führende Politiker der AfD bewusst nicht zu Podiumsdiskussionen einzuladen. Sehr christlich. Dieses implizite Ausschließen ganzer Bevölkerungsgruppen beweist ganz eindeutig, dass diese Institution, zumindest hier in Deutschland, keine Legitimation mehr als Kirche für das Volk und schon deswegen auch keinen Anspruch auf solche Sonderrechte hat.

Dass die Kirchen gemäß Staatsvertrag ihre Ansichten redaktionell unbearbeitet verkünden dürfen, ist allerdings nur gerecht, denn auch Frau Blarr verkündet ihre eigenen Ansichten scheinbar redaktionell unbearbeitet. Den Einfluss der Kirchen zu reduzieren oder ganz zu beseitigen, hätte den Vorteil, dass sie sich wieder auf ihre ureigenen Aufgaben konzentrieren könnten, zum Beispiel die biblischen Schriften zu lehren oder das Christentum zu verbreiten. So müssten sie sich nicht ungefragt in Belange der Politik einmischen, die sie als Institutionen nichts angehen. Und sie müssten sich nicht zum Steigbügelhalter für die flächendeckende Verbreitung des Islam in Deutschland machen.

Die strikte Einhaltung des Grundgesetzes ernst zu nehmen, wäre für Frau Blarr die faktische Umsetzung zum Laizismus, weil dieser Punkt ihr gerade passt. Andere Vorgaben des Grundgesetzes, beispielsweise der Schutz der deutschen Grenzen oder Schutz von Ehe und Familie, nimmt sie dagegen nicht ernst, wie man aus allen ihren Kommentaren erkennen kann - ganz wie es ihr gerade passt.

Warum als Nebeneffekt eines wirklich laizistischen Deutschlands den rhetorischen Scharfmachern in der Diskussion um Kopftuch und geschlechtergetrennten Sportunterricht der Wind aus den Segeln genommen werden sollte, erschließt sich mir nicht. Sollte die Kirche für diese Diskussion verantwortlich sein? Es zeigt nur, dass Frau Blarr, wie in jedem ihrer Kommentare, mit ihrer privaten, unsäglichen, kruden Gendermainstream-Obsession den Leser in ihrem Sinne missionieren will. Wie dem auch sei, das Ausleben von Religion sollte Privatsache sein, und da kann man ihr zustimmen, dann würde auch das impertinente Gehabe eines Herrn Mazyek keine Rolle spielen und eben auch für den Bau von Moscheen nicht der Steuerzahler zur Kasse befohlen werden.

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