"Weit übertroffen"

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Matthias Schmeing (vorne), Leiter der Online-Redaktion, erklärt der Lesergruppe, wie sich der Internetauftritt dieser Zeitung verändert hat.

© Rinderspacher

Mal sehen, wie der Tag wird", sagt "MM"-Leserin Ursula Ritter-Meffert am Morgen zu ihrem Mann. "Wenn es zu langweilig wird, gehen wir", antwortet Walter Meffert. Das Ehepaar ist mit drei weiteren Lesern eingeladen, einen Arbeitstag lang hinter die Kulissen dieser Zeitung zu schauen - von der Blattkritik und Frühkonferenz um 10.30 Uhr bis zur Blattabnahme der (teils unfertigen) Seiten um 17 Uhr.

Die fünf Leser hatten sich mit kritischen Mails oder Anrufen an Chefredakteur Dirk Lübke gewandt. Norbert Heckert ist "erfreut, dass meine Kritik weitergegeben und ich eingeladen wurde". Mal ging es den Lesern um die geänderte Verteilung der Ressorts in der Zeitung, mal um eine Debatte über Religionen, mal um die Beilage 70 Jahre "Mannheimer Morgen", in der Christoph Heidelberger vermisste, "über eigene Fehler nachzudenken".

Notfalls von der Bank aus

Die Gruppe bekommt gleich mit, wie schnell eine Redaktion reagieren muss: Geht es in der Planungskonferenz noch um andere Themen der nächsten Ausgabe, läuft um die Mittagszeit die Eilmeldung ein, dass die britische Premierministerin Theresa May im Juni neu wählen lassen will. London-Korrespondentin Katrin Pribyl streicht ihr vorgesehenes Thema und kündigt Kommentar samt Hintergrund an. Das elektronische Planungsinstrument Desknet, das Chefredakteur Lübke der Gruppe vorstellt, kann solche Überraschungen natürlich nicht vorhersehen. Es hält aber - für alle Redakteure zugreifbar - fest, wer wann an welchem Thema arbeitet.

Bei Ursula Ritter-Meffert wirft das die Frage auf, wo und wie die Reporter schreiben. Antwort: in der Redaktion (Dudenstraße), in der Geschäftsstelle (P 3), von unterwegs jederzeit mit Tablet und Smartphone - oder auf der Bank vor der Abendakademie, von der aus Lübke in der Vorwoche spätabends den Anschlag auf die Fußballer von Borussia Dortmund kommentiert. "Bei aller Mäkelei: Grundsätzlich würde ich Ihnen die Note eins geben", lobt Leser Klaus Mengel. Und Norbert Heckert fügt hinzu: "Ihre Beiträge lese ich überwiegend mit Zustimmung."

Die Frage nach der Zukunft der auf Papier gedruckten Zeitung beantwortet Dirk Lübke optimistisch: "Die Zeitung wird garantiert nicht verschwinden", sagt er voraus. Um das zu erreichen, müssten sich die Redaktionen umstellen und "weniger von der Aktualität getrieben arbeiten, sondern Hintergründe beleuchten".

Matthias Schmeing, Leiter der Online-Redaktion, sieht die Entwicklung so, "dass die Zeitungen in zehn, 15 Jahren keine tägliche Ausgabe mehr haben, sondern ein bis zwei Mal die Woche mit Analysen erscheinen".

Nach dem Mittagessen stößt Stefan Proetel, Leiter des Ressorts Mannheim und Region, zur Runde. Leser Heidelberger spricht ihn auf die vermeintliche Vergewaltigung am Wasserturm an, die vor einem Jahr für Schlagzeilen sorgte. Proetel erklärt, dass die Berichterstattung auf einer offiziellen Pressemitteilung der Polizei basierte.

Heidelberger findet dennoch, "dass das Thema Sicherheit und Ordnung sehr stark gespielt wird". Proetel verweist darauf, dass dieser Bereich im Bürgerbarometer, das diese Zeitung zwei Mal im Jahr von der Forschungsgruppe Wahlen erheben lässt, "regelmäßig weit vorne liegt". Leser Klaus Mengel diskutiert derweil mit Volontär Hasan-Hüseyin Kadioglu, dessen Beitrag über Religionen er kritisiert hat.

Nächste Station: die Online-Redaktion. Deren Leiter Matthias Schmeing stellt vor, wie der Internetauftritt dieser Zeitung sowie ihrer Partner sich besser und regionaler präsentiert.

Am Ende des Tages steht die Blattabnahme - sowie die Erkenntnis bei Besuchern wie Redaktion, mehr voneinander erfahren zu haben. Christoph Heidelberger meint: "Herr Proetel hat sich auf meine Kritik eingelassen, das war keine PR-Veranstaltung." Klaus Mengel gibt sich "beeindruckt, wie Ihre Arbeit so gut funktioniert". "Zu hören, wie eine Zeitung entsteht und was Ihre Redakteure machen, war interessant", bilanziert Norbert Heckert.

Und Ehepaar Meffert? Ihm wird nicht langweilig, so dass es bis zum Ende bleibt. "Meine Erwartungen wurden weit übertroffen", sagt Walter Meffert. Und seine Frau zeigt sich "begeistert und überwältigt" vom Blick hinter die Kulissen.

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