Einfluss hält sich in Grenzen

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Zum Beitrag "Wie revolutioniert die digitale Generation die Arbeitswelt, Herr Riederle?" vom 22. Juli:

Armin Zisgen: Herr Riederle reproduziert in seinem Debattenbeitrag das sattsam bekannte Klischee der zukünftigen Arbeitswelt, das von den Medien der sogenannten Generation Y auf den imaginären Leib geschrieben wird. Die Generation Y ist allein schon deshalb mehr Mythos als Realität, weil die ihr zugeschriebenen Eigenschaften und Bedingungen bestenfalls für einen kleinen Ausschnitt einer Generation gelten.

Auch deshalb wird es diesen Zeitgenossen nicht gelingen, die Arbeitswelt nachhaltig zu beeinflussen oder gar zu revolutionieren. Ein weiterer, problematischerer Grund dafür ist die Ich-Bezogenheit, die in dem Artikel sehr ungeschminkt zum Ausdruck kommt und die in einem Teil dieser Generation verbreitet zu sein scheint. Die Arbeitsbedingungen sollen sich nach unseren Vorstellungen richten "möglichst ab sofort, ab dem ersten Arbeitstag". Wehe, "der Chef als Dienstleister" stellt uns nicht sofort das neueste elektronische Equipment zur Verfügung (wir legen ja keinen Wert mehr auf Statussymbole) und "hält uns den Rücken frei" wenn wir in die Familienphase kommen und den Erziehungsurlaub für den zweimonatigen Europatrip mit der Kleinfamilie nutzen wollen.

Selbst-Verwirklichung ist in der Tat das Motto der Stunde, egal, was das für die anderen um uns herum bedeutet. Wir sind ja nicht verantwortlich für das, was geschieht. Wir haben Globalisierung und Digitalisierung nicht erfunden. Wir kennen uns nur gut genug damit aus, um unsere Situation zu optimieren.

Herr Riederle nimmt in dieser Egozentriertheit wesentliche Aspekt der Arbeitswelt gar nicht wahr. Was ist denn mit den "Wissensarbeitern" an unseren Hochschulen, die sich mit befristeten und Teilzeitverträgen über Wasser halten müssen? Was ist mit den Flexi-Beschäftigten bei Textilfilialisten, die unter hohem Flexibilitäts- und Leistungsdruck arbeiten müssen? Was mit den Beschäftigten von Werkvertrags-Subunternehmen, die zu schlechteren Bedingungen arbeiten müssen wie die Stammbelegschaften?

Warum gibt es Unternehmen, die mit allen möglichen Tricks versuchen, den Mindestlohn zu umgehen? Wir sehen, der revolutionierende Einfluss der Generation Y hält sich bisher in Grenzen. Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Herr Riederle studiert Soziologie. Dort sollte er lernen, sich mit gesellschaftlichen Phänomenen empirisch fundiert und kritisch auseinanderzusetzen.

Josef Neuberger: Mitarbeiter, egal, ob jung oder alt, die Initiative ergreifen, lasse ich immer "laufen" und natürlich dürfen Fehler gemacht werden. Man braucht einfach Vertrauen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alle Mitarbeiter mit dem ihnen gegebenen Vertrauen sehr verantwortungsbewusst umgehen. Natürlich gibt es mal schwarze Schafe, aber die identifiziert man schnell. Und natürlich gibt es welche, die keine Initiative haben oder zeigen. Auch diese Mitarbeiter muss man respektieren.

Wir bauen bei Rütgers Kälte Klima gerade ein neues Bürogebäude und wollen dann die "starren Sitzordnungen" auflösen. Das geht natürlich nicht in allen Bereichen, aber bei manchen, die projektbezogen zusammen arbeiten, ist das absolut sinnvoll. Die modernen Kommunikationsmittel geben uns inzwischen die Freiheit, von jedem Ort aus zu arbeiten und zu kommunizieren. Ich stelle fest, dass das zunehmend auch genutzt wird. Gerade bei der chaotischen Verkehrssituation ist das eine wunderbare Unterstützung.

Und Kontrolle der Arbeitszeit ist out! Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass Mitarbeiter gemäß ihrer Stärken und Neigungen eingesetzt werden müssen. Dort, wo er stark ist, hat er auch Spaß an der Arbeit. Und dort wo er stark ist, wird er sich weiter verbessern. Und was er nicht so gut kann, versucht man auf andere Schultern zu verlagern. Einziger Hemmschuh sind allerdings Mitarbeiter, die massiv um den Erhalt von Hierarchien und Positionen kämpfen. Insgesamt kann man mit der jungen Generation was reißen, sie machen mir viel Freude.

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