Immer genug Grillfleisch

Von 
Sören Götz
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Volle Regale: Am besten sind immer alle Waren verfügbar. Viele Lebensmittel werden allerdings auch weggeschmissen. Opal will das verhindern.

© Fotolia/Nataliya Yakovleva

Eine Stunde vor Ladenschluss entscheidet sich ein Mitarbeiter im Supermarkt, noch 20 Baguettes aufzubacken. Nur drei davon werden verkauft - 17 landen im Müll. "Solche Fehlentscheidungen sind häufig", sagt Alexander Gossmann und zeigt auf eine Kurve, die die Produktion und den Absatz von Baguette in einer Filiale in Echtzeit nachzeichnet. Um derartige Planungsfehler zu vermeiden, hat er mit Marc Huber und Roger Gaczkowski eine Software programmiert und das Unternehmen Opal gegründet.

Opal und "Business Intelligence"

Opal - die Abkürzung steht für "Operational Analytics" - wurde im Jahr 2013 von den Mannheimer Wirtschaftsinformatik-Doktoranden Alexander Gossmann und Marc Huber gegründet.

Bald stieß Roger Gaczkowski zum Team dazu, der nun seine Erfahrung im Maschinenlernen einbringt.

Seit rund einem Jahr ist außerdem in Zusammenarbeit mit der Universität ein Doktorand dabei.

Zurzeit befindet sich Opal, das im Gründerzentrum Mafinex sitzt, in einer Testphase mit drei Lebensmittel-Einzelhändlern.

Opal wendet "Business Intelligence" an.

Sie ist ein Teilgebiet der Wirtschaftsinformatik und steht für die Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten, um wirtschaftliche Abläufe effizient(er) zu gestalten. otz

"Wir bieten ein automatisches System, das weiß, wie viel nachbestellt und aufgebacken werden muss und das sogar selbst erledigen kann", erklärt der 35-jährige Gossmann. Sein Geschäftspartner Huber ergänzt: "Jeden Tag wird in deutschen Supermärkten die Hälfte der frischen Lebensmittel weggeschmissen, das sind täglich 1500 Tonnen." Mit ihrer Software könnten sie diese Menge ersten Tests zufolge halbieren.

Außerdem sollen Produkte seltener ausverkauft sein. "Als Konsumenten wollen wir zu jeder Zeit alles frisch haben, deshalb hat die Verfügbarkeit Priorität", hebt Gossmann hervor. Die leide oft darunter, dass Manager und Mitarbeiter nicht alle Informationen nutzten, die ihnen zur Verfügung stünden - eigentlich.

Eine gute Planung sollte aktuelle und lokale Ereignisse berücksichtigen, zum Beispiel ein benachbartes Festival, für das die Besucher Grillfleisch kaufen. Darüber hinaus bezieht die Software für ihre Prognosen die Wettervorhersage und die Verkaufsdaten der vergangenen Jahre mit ein. Das soll Managern und Mitarbeitern ermöglichen, mit geringem Aufwand die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die derzeitige Testphase mit zwei Supermärkten und der Ludwigshafener Bäcker-Kette Görtz übertreffe die Erwartungen, sagt der 29-jährige Huber: "Ich habe gerade mit einem Manager telefoniert, der ganz begeistert war, weil wir unsere Ziele mehr als erreicht haben." Neben ihren geschäftlichen Ambitionen spürt das Trio eine ethische Verantwortung dafür zu sorgen, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden. "Ich bin auch privat jemand, der wenig wegschmeißt und Brote lieber noch einmal aufbäckt", betont Gossmann, der mit acht Jahren aus Kasachstan nach Deutschland gekommen ist: "Jeder sollte bei sich anfangen."

Kennengelernt haben sich Huber und er während ihrer Promotion in Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim. Beide befassten sich damals mit "Business Intelligence", einem Teilgebiet der Wirtschaftsinformatik (siehe Kasten). Als ihr betreuender Professor erkrankte und ihr Institut geschlossen wurde, standen sie zunächst ohne Räumlichkeiten da. "Zum Glück brauchen wir für unsere Arbeit notfalls nur einen Laptop und einen Internetzugang", erinnert sich Huber, der in Brühl geboren wurde und der Region seither treu geblieben ist. "Wir haben uns ein halbes Jahr auf dem Campus durchgeschlagen, zum Beispiel in der Bibliothek gesessen. Das war eine harte Zeit."

Die Promotion brachen sie ab, um sich ganz ihrer Unternehmensgründung zu widmen. Sie holten den 38-jährigen Roger Gaczkowski dazu, den sie aus dem Studium kannten. Schließlich bekamen sie die Zusage für Räume im Gründerzentrum Mafinex mit Blick auf den Hauptbahnhof. "Wir sind begeistert", sagt Gossmann. "Es ist in guter Lage und auch ansprechend für Kunden, die man einlädt."

Opal hat schon Juroren überzeugt und mehrere Preise gewonnen, zuletzt den Existenzgründerpreis der Stadt Mannheim. Neben Backwaren und Fleisch will Opal bald auch die Einkaufsplanung von Gemüse und Obst verbessern. "Hier sind die Daten aber komplexer, weil sich die Preise auf dem Weltmarkt oft ändern und vieles nur saisonal angeboten wird", sagt Gossmann. Zurzeit tüfteln die drei daran, wie sich diese Schwankungen einberechnen lassen.

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