Kinderträume vom Fließband

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Blick in die frühere Schildkröt-Produktion in Mannheim: Mitarbeiterinnen sorgten unter anderem dafür, dass die Frisuren der Puppen richtig saßen. Das Bild entstand am 1. Februar 1968. Anlass war der Besuch einer Delegation um den damaligen baden-württembergischen Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Walter Krause.

© Stadtarchiiv Mannheim - ISG

Sie hießen Bärbel, Ursel oder Inge: die bekannten Schildkröt-Puppen, die über viele Jahrzehnte in den Produktionsräumen der früheren "Rheinische Gummi & Celluloid-Fabrik" in Neckarau hergestellt wurden. Gegründet wurde das Unternehmen dort, als der heutige Stadtteil noch gar nicht zu Mannheim gehörte: nämlich im Jahr 1873. Erst 1899 wurde das Dorf eingemeindet.

Die Fabrik, die von den Bewohnern in der Umgebung wegen der häufig hörbaren Explosionen auf dem Werksgelände gerne "die Knall" genannt wurde, stellte aus dem Kunststoff Celluloid zunächst Kämme und Haarspangen her. 1896 kamen die ersten Puppen auf den Markt, die rasch zu einer Erfolgsgeschichte wurden. Zwischenzeitlich arbeiteten auf dem riesigen Areal über 6000 Menschen. Über viele Jahre war "Schildkröt", wie das Unternehmen später hieß, die größte Puppen-Fabrik Deutschlands.

Davon ist in Neckarau längst nichts mehr zu sehen: Die Produktion in Mannheim wurde 1975 eingestellt. Heute sitzt das Unternehmen, das seit 2014 zur österreichischen Stadlbauer-Gruppe gehört, im thüringischen Rauenstein. In Neckarau erinnern einige Straßennamen an das frühere Aushängeschild des Stadtteils: zum Beispiel die Schildkröt- und die Celluloidstraße.

In deren Nähe sind heute unter anderem Handelsfirmen wie ATU (Autozubehör) oder Conrad (Elektronik) angesiedelt. Auf dem einstigen Schildkröt-Gelände hat die Stadt außerdem Ende der 1980er Jahre den High-Tech-Park gegründet. Dort befindet sich der Campus der privaten Hochschule EC. In dem Stadtteil sitzen außerdem einige große Player der regionalen Wirtschaft. Zum Beispiel das Mannheimer Grosskraftwerk (GKM). Es wurde 1921 gegründet, zwei Jahre später floss der erste Strom. Seither ist das Kraftwerk durch den Bau neuer Anlagen immer wieder modernisiert worden. 2015 ging der neue Steinkohleblock (Block 9) in Betrieb.

Genauso alt wie das GKM ist das Familienunternehmen Diringer&Scheidel in Neckarau. Es erwirtschaftet heute nach eigenen Angaben mit rund 2600 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 350 Millionen Euro. Die Baufirma steht unter anderem hinter dem Mammutprojekt Q 6/Q 7 in den Quadraten. In dem neuen Stadtquartier mit einer Bruttogrundfläche von rund 153 000 Quadratkilometern entstehen Wohn-, Handels- und Büroflächen sowie ein Hotel. Über die Tochterfirma avendi Senioren Service GmbH entwickelt und betreibt Diringer&Scheidel zudem Senioreneinrichtungen, darunter das Lanz-Carré auf dem Lindenhof.

Nur wenige Autominuten von Diringer&Scheidel entfernt hat der Pharmagroßhändler Phoenix seinen Sitz. Am Standort arbeiten knapp 800 Beschäftigte, insgesamt zählt das Unternehmen weltweit rund 29 000 Mitarbeiter. Im März 2015 feierte Phoenix 20. Firmenjubiläum: Der schwäbische Unternehmer Adolf Merckle hatte es 1995 gegründet, indem er mehrere Pharma-Regionalgroßhändler verschmolz.

Neben Konzernen wie Phoenix gibt es im Stadtteil zahlreiche Mittelständler, die teils schon über Jahrzehnte hier sitzen: Zum Beispiel die Glaserei Simon, ein Betrieb, der 1865 gegründet und inzwischen in der fünften Generation in Familienhand ist. Oder der Rollladen- und Sonnenschutz-Spezialist Weß, der 2015 50. Firmenjubiläum feierte. Aber auch neue Firmen siedeln sich im Stadtteil an: Im vergangenen Jahr hat beispielsweise Fischers Lagerhaus hier eine Filiale eröffnet. Das Unternehmen verkauft Möbel und Wohnaccessoires aus fernen Ländern.

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