In den Möbelhäusern sind sie nicht mehr zu übersehen: Viele Hersteller setzen 2017 auf mächtige Esstische. Ihr Einsatzort soll die ebenso trendige offene Wohnküche sein. Die Designer sehen die Tafeln als Zentrum des Familienlebens und der Kommunikation im Haus.
An einem Tischende malt der Kleinste Buchstaben in sein Hausaufgabenheft. Der Große sitzt in der Mitte und daddelt am Notebook, und am unteren Tischende deckt die Mutter schon mal das Abendessen ein: Große Esstische sind der Lebensmittelpunkt vieler Familien. Hier wird gelernt, gebastelt, genäht, gespielt und natürlich auch gegessen. Hier gibt es Krisengespräche, und die Urlaubsplanung wird gemacht. Hier schlagen auch viele ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben erledigen müssen. Das ist nichts Neues. Neu ist aber, dass die Möbeldesigner seit einigen Jahren die einstigen Sonderanfertigungen in den Fokus nehmen - kaum ein Hersteller von Tischen kommt ohne Tafel im Programm aus, und die Palette wird ergänzt. Das Besondere: Die mächtigen Riesen sind so flexibel, dass sie sich Wohnsituationen anpassen. Warum so mancher Designer sich gerade derzeit diesem Möbelstück annimmt, erklärt Jorre van Ast, dessen neuer Eichen-Tisch namens Trestle Table von Arco präsentiert wird. "Die Art, wie wir leben, und damit auch die Orte, an denen wir leben, verändern sich", erklärt der Designer. "Traditionell haben die meisten Häuser eine Küche mit einem kleinen Küchentisch, ein Esszimmer mit einem Esstisch und ein Wohnzimmer oft mit einem Sofa und einem Couchtisch." Aber nun öffnen sich die Grundrisse - die Wohnräume haben weniger Wände. Gerade Küche und Esszimmer verschmelzen nahtlos miteinander, erklärt van Ast. "Im Mittelpunkt steht hier ein Gemeinschaftstisch in zentraler Lage."
Und das macht den Tisch zu mehr als nur zu einem Esstisch: "Die Funktion des Tischs definiert sich nicht mehr nur durch ausgedehntes Essen, sondern vielmehr über alle Aktivitäten, die rund um ihn stattfinden. Der Tisch ist das Herz des Hauses oder der Wohnung geworden: Hier wird zusammen gegessen, Zeitung gelesen, Hausaufgaben
gemacht, gespielt oder auch einfach entspannt", zählt van Ast auf.
Das Unternehmen Thonet bezeichnet seinen neuen 2,50 Meter langen Tisch für bis zu zehn Personen namens S 1091 als eine "Kommunikationsplattform". Der Designer Randolf Schott erklärt die Vorzüge so einer Tafel: "Dort sitzt man sich gegenüber - vis-a-vis, und nicht über Eck. Die Kommunikation ist gleichwertiger und fokussierter, da man sich direkt in die Augen schauen kann." Man kenne das etwa von Hochzeiten oder aus dem Biergarten. "Dieses vertraute Gefühl möchte man sich vielleicht gern nach Hause holen und im eigenen Habitat anwenden", glaubt Thonets Leiter für Design und Entwicklung.
Der lange Esstisch ermöglicht noch andere Optionen: Statt ins Restaurant zu gehen, holt man sich die Freunde und Gäste ins Haus. Man isst nicht nur gemeinsam, man kocht auch gemeinsam. Daher werden viele Tafeln auch schon mit den Küchenmöbeln verbunden - die Tische sind Teil der Arbeitsplatte. Die Hersteller arbeiten auch an der Bequemlichkeit der Tische: Der Trestle Table von Arco, den es mit bis zu 3,60 Meter Länge gibt, steht statt auf den üblichen außen positionierten Beinen auf zwei Tischböcken zentral unter der Platte. So hat man mehr Platz für die Beine. Von Thonets Tisch S 1091 gibt es auch ein Modell S 1092 mit einer Fußablage, die eine rückenschonende Sitzhaltung fördern soll. Außerdem sollen die Tische trotz ihrer Größe flexibel sein, Ercols Modell Ponte lässt sich beispielsweise von 2,20 auf 3 Meter verlängern. Team 7 präsentiert mit dem Modell yps von Jacob Strobel einen Auszugtisch, der entweder um zwei Sitzplätze wachsen kann oder eine Bestecklade erhält. Viele Modelle sind auch höhenverstellbar. Und sie sollen mobil sein. Horgenglarus legte zum Beispiel kürzlich einen Entwurf aus dem Jahr 1953 erneut auf: den Ateliertisch von Hans Bellmann. "Der Tisch sollte äußerst einfach zerlegbar sein", erläutert die Firma die Idee. "Umzüge, bei denen der Tisch demontiert und wieder zusammengebaut werden muss, verkraftet er bestens." Günstig sind diese großen Modelle oft nicht. "Aber ich suche mir nicht fünf kleine aus, sondern ganz bewusst einen großen", erklärt sich Gabriela Kaiser, Trendanalystin aus Landsberg am Lech, den Verkaufserfolg solcher Tafeln. "Und es ist ja ein Multifunktionsmöbel." Ihre Familie hat zum Beispiel den Schreibtisch eines Kindes verkauft - es saß während des Erledigens der Hausaufgaben lieber zusammen mit den anderen im Wohnraum statt alleine in seinem Zimmer. "Hier ist er Teil des Familienlebens." tmn
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