Prostitution Schlimmer kann man Flüchtlinge nicht entwürdigen

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"Das wahre Problem wird nur nebenbei angesprochen", BA-Leserforum vom Samstag, 4. Juni

Jeder mündige Erwachsene - ob männlich oder weiblich - hat grundsätzlich das Recht, Prostitution auszuüben. Und jede und jeder kann straffrei die Dienste von prostituierten Männern und Frauen in Anspruch nehmen. Aber sicher schließt dies nicht das Recht ein, die Notlage anderer Menschen auszunutzen und sie gar in die Prostitution zu zwingen oder auch "nur" zu drängen.

Die beiden Leserbrief-Autorinnen leisten sich hier eine schlimme Entgleisung. Abgesehen davon, dass sie die Lage der Flüchtlinge rosiger darstellen, als sie ist (man habe ja zu essen und ein Dach überm Kopf), sehen sie in gekauftem Sex in Flüchtlingsunterkünften einen Akt der Gleichberechtigung der Frauen, die dies praktizieren. Der wohlhabenden deutschen Frauen wohlgemerkt! Männer - deutsche - würden, so die Autorinnen, sich schließlich auch Sex kaufen und dafür sogar in weit entfernte Länder, zum Beispiel in Asien, fahren.

Der Leserbrief entwürdigt die Flüchtlinge zu verfügbaren Sexualobjekten und ruft geradezu dazu auf, deren prekäre Gesamtsituation sexuell auszunutzen. Aus Rache an der Praxis des deutschen Sextourismus die Flüchtlinge - beziehungsweise die Männer darunter - prostituieren? Schlimmer kann man Menschen kaum entwürdigen. Die Autorinnen sollten sich in der Tat fragen, welch schäbiges Bild von einheimischen Frauen sie so vermitteln. Und auch, wie weit sie selbst moralisch in ihrer Argumentation noch von der Hemmungslosigkeit der Männer entfernt sind, die in der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte Frauen entwürdigten.

Wolfgang Johannsen

Bensheim

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