Energiewende Technische Möglichkeiten ausschöpfen

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Lieber Dr. Wendtland, zu Ihrer, für den naturwissenschaftlichen Laien nicht entscheidbaren Argumentation, warum die Energiewende nicht funktioniere, möchte ich nur die folgenden Beispiele von fachlicher Seite entgegenhalten:

Sie schreiben, dass technische Lösungen nur unter Berücksichtigung naturwissenschaftlicher Gesetze möglich sind. Da haben Sie recht! Aber wo sind die Grenzen naturwissenschaftlicher Gesetze?

1. Vor Einstein war die sogenannte klassische Mechanik Jahrhunderte lang für die Physiker ein scheinbar unverrückbares Naturgesetz. Aber der technische Fortschritt hat gezeigt, dass dies nur ein Spezialfall der heute von allen akzeptierten Relativitätstheorie ist. Gleiches gilt für die Quantentheorie. Beide Theorien waren im 19. Jahrhundert noch unbekannt und auch für Fachleute nicht vorstellbar. Erst durch diese neu entdeckten Naturgesetze wurde die Technik der Kernenergie, genauso wie die der Photovoltaik und vieler anderer Dinge unseres täglichen Gebrauchs möglich (wie Computer, Atomuhren, LED, Navi, Laser). Heute sind jene Gesetze für alle selbstverständlich und die Grundlage unseres Weltbildes, das sich immer weiterentwickelt. "Naturgesetze" sind also nur die mathematische Beschreibung unseres derzeitigen Wissens!

2. Gerade der diesjährige deutsche Chemienobelpreisträger Stefan Hell und seine Kollegen haben diesen Preis bekommen, weil sie wieder einmal unser technisches Weltbild und seine Möglichkeiten verändert haben. Sie haben ein über hundert Jahre altes physikalisches Gesetz der Optik ausgehebelt. Sie ließen sich nicht von den Grenzen des bis vor einiger Zeit als Standardformel der Optik geltenden und von allen Physikern anerkannten Gesetzes, der "numerischen Apertur" von Ernst Abbe, beirren. Sie haben ganz bewusst und gezielt eine Lösung gesucht, wie es möglich ist, sogar winzig kleine Moleküle in einer lebenden Zelle mit optischen Methoden (sichtbarem Licht) zu beobachten. Dies galt vorher als absolut unmöglich. Das Naturgesetz für diese "numerische Apertur" haben sie also neu geschrieben und das alte über Bord geworfen. Das war den Nobelpreis wert! So wird noch lange zu suchen sein, bis die "Weltformel" entdeckt ist!

3. Auch die Physiknobelpreisträger dieses Jahres haben nicht verzagt, obwohl man bis vor einigen Jahren noch keine guten blauen LED-Leuchten herstellen konnte. Sie haben so lange geforscht und nicht aufgegeben, bis ihnen dies gelungen war. So kann man damit inzwischen die energiesparenden LED-Fernseher herstellen, zusätzlich mit rapide fallenden Preisen. Herzlichen Glückwunsch zum Nobelpreis!

4. Des Weiteren sprechen Sie von Bleiakkus. In welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich? Mit Sicherheit nicht in dem des Elektroautos (mit Vorbild Norwegen)! Oder wollen Sie etwa behaupten, ein Elektroauto fahre mit Bleiakkus? Jedes Kind weiß heute, dass dies seit vielen Jahren nicht mehr der Fall ist und dass Bleiakkus praktisch ausgedient haben. Dies gilt auch für "elektrische Batterien" in anderen technischen Bereichen, die immer weiter verbessert werden; auch hier mit ständiger Kostenreduktion, da immer günstiger produziert wird. Die heutige Technik elektro-chemischer Energiespeicher hat die Erkenntnis längst überholt!

5. Über das "Smart Grid" könnte ich ähnliches erzählen, aber es wäre zu umfangreich, um dies in einem Leserbrief zu begründen, und so gibt es noch viele andere Beispiele. Ganz neu: E-on! Gute Wissenschaftler denken über Grenzen hinweg und sagen nicht "das geht nicht". Wegen dieser guten Forscher wird der technische Fortschritt ganz sicher noch lange weitergehen und nicht vor der angeblichen Unmöglichkeit der Energiewende stehen bleiben. Wo die Grenzen unserer wissenschaftlichen Erkenntnis ("Naturgesetze") und der daraus folgenden Technik sind, wissen die Götter, aber ganz gewiss nicht der Energiezirkel, denn der kämpft genau so vehement und mit missionarischem Eifer gegen jeden Erkenntnisfortschritt wie damals die Kirche gegen die Entdeckungen von Kopernikus, Galilei und Kepler.

Hans Odoj, Schwetzingen

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