Ostergedanken - Wenn die Heilung der Seele wichtiger wird als die der Beine / Man kann auch mit dem Herzen tanzen Lydia, Oppius und der Sohn Gottes

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Es gibt da eine kleine Geschichte über den römischen Zenturio, der die Kreuzigung Jesu überwachte und den danach schlimme Träume plagten und der von diffusen Ängsten gepeinigt fast unfähig war, sein Leben zu meistern. Weil er unterm Kreuz erkannt hat, dass "dieser Mensch" eben kein Verbrecher war, sondern der Sohn Gottes.

In seiner Verzweiflung machte sich Oppius - so hieß der Zenturio - auf die Suche. Er begab sich auf die Spuren des Gekreuzigten, er forschte nach der Herkunft - aber auf der schwierigen Suche nach den Wurzeln, war er nicht überall willkommen, da manche ihn wiedererkannten. Eines Tages gelangte er nach Kapernaum, also in jene Gemeinde am See Genezareth, wo Jesus gerne - ja wohl am liebsten zu Lebzeiten verweilte. Es lebten dort einfache - aber sehr lebensbejahende Menschen und Oppius fühlte sich aufgehoben.

In einer Taverne unweit des Sees fragte er nach einer Übernachtungsmöglichkeit und man führte ihn nach oben in einen kleinen Raum: Ein einfaches Bett, Stuhl und Tisch mit einer Öllampe sowie eine Truhe. Das sollte genügen, auch für einen Zenturio, der in Rom anderes gewöhnt war, aber durch seine Strafversetzung nach Palästina die anderen Seiten des Lebens kennen lernte.

Beim Abendspaziergang entdeckte er eine junge hübsche Frau, die auf einer Veranda auf einer geflochtenen Liege - ähnlich einem römischen Triclinium, einem Speisesofa - Geschichten erzählte, die er nie zuvor gehört hatte. Um sie herum lauschten Menschen gebannt, ja ihre Augen klebten an ihren Lippen, als sie von den Lilien auf dem Felde oder den Vögeln unter dem Himmel erzählte. Also von jenen Gleichnissen, mit denen Jesus den Menschen vor Augen führte, was wirklich im Leben wichtig ist.

Sie erzählte auch von den Wundern, die Jesus vollbrachte und ohne es zu merken, war auch Oppius von ihr gefesselt. Zu fortgeschrittener Stunde löste sich die kleine Versammlung auf. Lydia - so hieß die Geschichten-Erzählerin - begrüßte den Neuankömmling mit einem herzerfrischenden Lächeln und sie unterhielten sich über das nicht immer so einfache Leben im Dorf, das harte Los, welches manche Menschen gezeichnet hat und über einen fröhlich herumtollenden Jungen.

"Das ist Jonas", meinte Lydia, "Jonas war nicht immer so fröhlich, sondern bereitete uns viel Kummer, bis Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem uns ein letztes Mal besuchte." Verdutzt fragte Oppius was passiert sei. "Nun, Jonas war verkrüppelt, er konnte sich nicht mal richtig auf Krücken fortbewegen und je älter er wurde, desto mehr haderte er mit seinem Schicksal - ja der Zorn übermannte ihn derart, dass seine Kameraden ihn nach und nach verließen.

Es war einige Woche vor dem letzten Pessachfest, Jesus und ich unterhielten uns gerade über die Vorbereitungen eines kleinen Abschiedsfestes ihm zu Ehren, als Jonas am Dorfbrunnen zu toben begann, weil einer seiner Freunde seine Krücken in den Brunnen geworfen hatte. Jesus ging zu ihm und Jonas beruhigte sich schlagartig. Ich sah beide eine Weile miteinander reden und wie Jesus immer wieder mit seiner Hand Wasser aus dem Brunnen schöpfte und Jonas damit die Füße wusch. Ich dachte mir nichts dabei, sondern war gerührt wie Jesus mit Kindern umgehen konnte und dachte an das Gleichnis, dass wenn wir nicht wie Kinder werden, wir nicht in sein Reich kommen.

Ich habe lange gebraucht, bis ich verstanden hab, was er damit meinte, bis ich begriff, dass es um Vertrauen geht: So wie unschuldige Kinder tiefstes Vertrauen zu Vater und Mutter haben, müssen auch wir Gott vertrauen und uns nicht auf irdische Güter verlassen, die am Ende doch nicht helfen - nicht wirklich unsere Seele berühren. Sie sind wie die Krücken, die uns zu Krüppeln machen." "Und was ist dann passiert", fragte Oppius voller Neugier. "So genau kann ich Dir das gar nicht sagen, ich war wohl kurz eingenickt, sah wie Jonas am Brunnenrand lehnte und Jesus zum See ging."

"Jonas blickte in seine Richtung und rief ihm nach, dass er warten soll, er wolle mit ihm kommen und ich sah, wie Jesus Jonas mit einer Handbewegung andeutete, er solle ihm folgen. Zu meinem Erstaunen sah ich Jonas loslaufen, ohne Krücken, ohne Schmerzen, wie befreit folgte er Jesus zum See. Und ich erinnerte mich, wie Jesus mich geheilt hat." "Dich hat er also auch geheilt?", fragte Oppius erstaunt. "Oh ja, das hat er - auf eine Weise, die ich erst mit der Zeit begriffen habe", entgegnete Lydia - immer noch liegend.

"Wollen wir nicht ein Stück Richtung See laufen, uns den Sonnenuntergang anschauen und Du erzählst mir mehr über Jesus und wie er dich geheilt hat?", fragte Oppius freundlich. Lydia wirkte plötzlich verlegen, ja zögerlich und sie war für einen Moment nicht mehr ganz so entspannt, fing sich aber rasch wieder, noch ehe Oppius sie fragen konnte, ob er was Falsches gesagt hat.

"Vielleicht morgen, wenn Joshua - das ist unser Handwerker hier - meine Roll-Trage repariert hat. Das Rad ist gebrochen." "Trage? Welche Trage und für was brauchst Du denn eine Trage?", fragte Oppius völlig verdutzt. "Ich kann nicht gehen, ich bin gelähmt. Ein Balken eines umstürzenden Baugerüstes ist vor vielen Jahren auf meinen Rücken gefallen und seit dem kann ich nicht mehr gehen", offenbarte sich Lydia dem Oppius. "Aber ich denke, Jesus hat Dich geheilt, wieso kannst Du dann nicht gehen", fragte Oppius völlig verwirrt und verunsichert.

"Das hat er schon mein lieber Oppius. Weißt Du, ich war ähnlich wie Jonas, haderte mit meinem Schicksal und war unausstehlich, voller Zweifel, was das Leben, die Welt, mich selbst und die Menschen um mich herum angeht. Dann traf ich Jesus. Ich wusste zuerst nicht wer er war, aber wir redeten viel miteinander. Seine Worte, seine Stimme, ja sein bloßes Hiersein war wie Balsam für meine Seele und ich fasste wieder neuen Mut und Zuversicht - nach und nach wurde ich der Mensch, der ich heute bin."

"Du bist eine ganz wunderbare Frau mit einem bezaubernden Wesen, Du hast eine Herzlichkeit, die aus dem tiefsten Innern kommt - so was hör ich immer wieder"- und Lydia blickte bei den Worten tief in die überraschten Augen von Oppius.

Nachdem dieser sich wieder einigermaßen gefangen hatte, hakte er nach und wollte wissen, warum Jesus sie nicht geheilt hat, warum er sie so gelassen hat, wie sie ist.

"Lieber Oppius, ich hab es am Anfang auch nicht gleich ganz verstanden, bis ich das eigentliche Wunder begriffen hab, was er an mir vollbracht hat. Wäre ich eine Frau wie all die vielen anderen, die fröhlich tanzend umher springen, dann wäre ich eine unter vielen. Aber das eigentliche Wunder ist, dass ich voller Lebensfreude bin, dass ich zwar nicht mit meinen Beinen, doch umso mehr mit meinem Herzen tanzen kann, weil ich die Menschen fröhlich und glücklich mache, einfach durch mein Dasein und sie gerne in meiner Nähe sind - trotz meiner Beeinträchtigung, weil sie merken, dass ein Teil von Jesus in mir lebt und ich in ihm."

Herbert Semsch, Brühl

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